Gemeinschaft an der Seite der Leidenden – Gemeinschaft der Leidenden: Jahresbericht 2007 / 2008
I Einleitung:
Unsere Kirchengemeinde als eine Gemeinschaft an der Seite der Leidenden – ist das nicht ein zu hoher An- spruch? Ist dies nicht ein Etikett, das der volkskirchlichen Wirklichkeit einfach übergestülpt ist? Wir glauben: Nein!
Nach unserer Überzeugung ist es (erst recht in der Krise der Volkskirche) der richtige Weg für eine Ortsge- meinde, sich ein erkennbares Profil zu geben. So können wir versuchen, den aktuellen Versuchungen für ei- ne Kirche nicht zu erliegen: Wir wollen nicht das Alte unreflektiert weitermachen und ebenso wenig als po- tenter Anbieter auf dem (Freizeit-, Wohltätigkeits-, Sinn-) Markt auftreten. Beide Sackgassen sind auch in unserem aktuellen Gemeindeleben erkennbar und müssen als solche erkannt werden (siehe unter II).
Parteilichkeit für die Armen ist ein Thema, das unsere Gemeindearbeit seit Jahrzehnten prägt. Darüber hi- naus wird in den letzten Jahren immer deutlicher, dass viele Gemeindemitglieder Verlierer der gesellschaftli- chen und wirtschaftlichen Veränderungen sind, die unter dem Stichwort Globalisierung diskutiert werden. Wir, die Mitglieder der Kirchengemeinde, wollen nicht nur die Anwälte der Leidenden sein, sondern wir lei- den selbst in einer unerlösten Welt (siehe unter III).
Unseren Glauben an den gerechten und liebenden Gott und das Erleben der Gemeinschaft in der Gemeinde wollen wir als Widerstandspotential entdecken: Wir sind getragen (siehe unter IV) und können diese Welt verändern (siehe unter V).
II Sackgassen
Aufgrund der besonderen Bedingungen unserer Kirchengemeinde treffen uns die rasanten Veränderungen im Sozialverhalten der Menschen unverzerrt und ungebremst: Die große Mehrheit der Evangelischen auf dem Maifeld ist in den letzten 10 – 30 Jahren zugezogen. Es besteht kaum eine traditionelle Bindung an un- sere Kirchengemeinde. Die Bereitschaft zur Beweglichkeit zeigt sich genauso deutlich wie das Vermeiden ei- ner längeren zeitlichen Bindung und mangelnde Kontinuität. All dies wird kaum durch traditionelles Teilnah- meverhalten gemildert: Unser Gemeindeleben wird durch eine Vielzahl attraktiver und großer Veranstaltun- gen und Gottesdienste genauso geprägt wie durch eine immer noch erschreckend kleine Beteiligung in ereignislosen Zeiten. Die enttäuschend geringe Beteiligung an der Presbyteriumswahl (2008 8,3 % gegen- über 2004 8,4 %) trotz massiver und phantasievoller Vorarbeit und Werbung spricht dieselbe Sprache.
Die beschriebene Situation, verbunden mit der allgemeinen Krise der Volkskirche, kann zu Irrwegen in der Gemeindearbeit führen, die auch bei uns z.T. eine Rolle spielen:
1) Die erste Sackgasse: Das Alte weitermachen
Auch bei uns gibt es die Verführung, das Gewohnte immer weiter zu machen. Aber immer wieder erkennba- re kurzfristige Veränderungen im Teilnahmeverhalten (große Schwankungen im Gottesdienstbesuch – Sonn- tagsgottesdienst und Kindergottesdienst/KIBIZ, Schwankungen in der Teilnahme an unseren musikalischen Veranstaltungen, Schwankungen in dem Maß der Verbindlichkeit in unseren internen Gruppen …) zwingen zur Überprüfung und zu neuen Strategien.
a) Geburtstagsbesuche: Die Bindung der hauptamtlich und ehrenamtlich Aktiven in den gleichen Arbeitsfel- dern wie vor 30 Jahren, verbunden mit hohem Anspruchsdenken sonst kaum aktiver Mitglieder, gibt es auf dem Maifeld allerdings kaum. So wurden z.B. alte Menschen seit Jahren nur sporadisch an ihrem Geburts- tag besucht. Die Auslastung des Pfarrers und die nicht erkennbare Auswirkung auf den Gemeindeaufbau führten dazu. Die kontinuierliche Wahrnehmung der Geburtstagsbesuche durch den Pfarrer zur Anstellung Michael Stoer in den letzten beiden Jahren wurde freundlich angenommen, hatte aber keine Auswirkung auf das aktive Teilnahmeverhalten. Der jetzt wieder notwendige Wegfall dieser „Dienstleistung“ wird wahrschein- lich keine erkennbaren negativen Reaktionen hervorrufen.
b) Pfarrer-Zentriertheit: Die scherzhafte Titulierung des Pfarrers als „Chef“ oder als „Kapitän des Kirchen- schiffes“ hat auch bei uns durchaus ernste Hintergründe. Für die Kirchendistanzierten genauso wie für unse- re katholischen Geschwister ist die Person des Pfarrers und seine Ausstrahlung nahezu mit der Kirchenge- meinde identisch.
Aber die Volkskirche ist nach unserer Auffassung nicht notwendig pfarrer-zentriert. Vielmehr ist die Domi- nanz des Amtsträgers in allen Bereichen des Gemeindelebens von der Verkündigung über Repräsentanz bis zu Management-Funktionen Ausfluss einer Entwicklung, die wesentlich mit Ausübung und Delegation von Macht in den unterschiedlichen historischen Ausprägungen zu tun hat.
In der Mündigkeit der Gemeindemitglieder in allen Bereichen sehen wir sowohl einen Motor als auch ein Ziel des Gemeindeaufbaus:
- „Gottesdienste von uns für euch“: Die jetzt so umbenannten Teamgottesdienste einmal im Monat am Sonntag sind seit Jahren fester Bestandteil unseres Gottesdienstplans und gehören zum Selbstbe- wusstsein unserer Gemeinde. Der Mirjamgottesdienst im August 08 steht für viele andere: eine Grup- pe von vier Frauen gestaltete einen anspruchsvollen, lebendigen, phantasievollen, gut besuchten Got- tesdienst.
- Seit Jahrzehnten haben in allen Gottesdiensten die LektorInnen ein großes Gewicht. Sie beginnen mit der Salutatio nach dem Gloria, sprechen das Themengebet, lesen die Sonntagslesung und leiten das Glaubensbekenntnis an. Die Zahl der LektorInnen ist leider auf 3 – 4 geschrumpft. Interessierte müs- sen neu angesprochen und begleitet werden. Ein großer Lichtblick ist eine 14jährige Lektorin, die seit Monaten mit großem Engagement mit dabei ist. Ihre selbst formulierten Themengebete haben große Authentizität und sprühen von Lebendigkeit.
- Wir versuchen, den Pfarrer immer mehr aus seiner Rolle als „Gemeindemanager“ zu entbinden. Ein Ehrenamtlicher als Vorsitzender und sehr kompetent und selbstständig arbeitende Bau- und Finanz- Kirchmeister sind Schritte in diese Richtung. Noch Weitergehendes ist vorstellbar und wird diskutiert.
- Wir versuchen, die Repräsentierung der Kirchengemeinde nicht nur dem Pfarrer zu überlassen: Z.B. Neujahrsempfang und ökumenische Segnung des Feuerwehrautos in einem unserer Dörfer. Einzelne PresbyterInnen oder aktive Mitarbeitende werden mittlerweile in einigen Dörfern als „evangelische Re- präsentanten“ wahrgenommen.
2) Die zweite Sackgasse: Die Marktförmigkeit der Kirche
Der Rollenwechsel der Kirche von einer unverzichtbaren gesellschaftlichen Institution hin zu einem der vie- len Anbieter auf dem (Freizeit-, Wohltätigkeits-, Sinn-) Markt geschieht manchmal bewusst, meistens unre- flektiert. Wir dürfen nicht widerspruchslos an der Ökonomisierung der ganzen Lebenswelt teilnehmen. Wenn soziale Sicherheit, Bildung, Lebensglück und Religion auch bei uns und mit unserer Beteiligung zur Ware wird (selbst wenn wir für unsere „Angebote“ kein Geld nehmen), ändert sich im Verhalten der Menschen sehr grundlegend etwas: Orientierung am augenblicklichen Bedürfnis und Spaß, Verzicht auf Kontinuität, Verherr- lichung des Individuums, Orientierung an den Zahlen und nicht an der evangelischen Qualität, Bevorzugung der potenten „KundInnen“, Verzicht auf das Einüben von Achtsamkeit auf andere … . Die selbstverständliche Übernahme der Begriffe aus der Wirtschaftswelt (Angebote, KundInnen, …) ist ein deutliches Indiz. Was hier geschieht, ist mehr als die Anbiederung an den Zeitgeist. Nach unserer Einschätzung übernehmen neue Götzen die Herrschaft in unserer Gesellschaft, sogar in unseren Kirchen. „Gottes kräftiger Anspruch auf un- ser ganzes Leben“ (Barmer Theologische Erklärung) wird geleugnet.
a) Event-Hascherei oder Aushängeschild: Attraktive Großereignisse bestimmen einen erheblichen Teil unseres Gemeindelebens. Es sind punktuelle Ereignisse, die unsere räumlichen Kapazitäten vollständig aus- reizen und unser Verliebtsein in Zahlen befriedigen:
- traditionelle „Events“: Weihnachten (an 2 Gottesdiensten am Heiligabend muss der Eintritt vor Beginn wegen Überfüllung verwehrt werden), Konfirmation mit über 600 Teilnehmenden in der Stiftskirche in Münstermaifeld, von den KIBIZ-Kindern vorbereitete Gottesdienste am Ostersonntag (Steigerung von 20 Gottesdienstbesucher 2002 bis zu 170 im Jahr 2008) und Erntedankfest, musikalische Gottes- dienste
- Ökumenischer Gottesdienst auf dem Kaaner Hoffest im Festzelt
- Ökumenische Schulgottesdienste: Die Entlassklassen der Polcher weiterführenden Schulen feiern nach aufwendiger Vorbereitung mit den SchülerInnen im unserem vollbesetzten Gemeindehaus, die anderen Schulen in Polch und Münstermaifeld in von Hunderten besuchten Gottesdiensten im Stadt- haus oder in einer katholischen Kirche
- Ü13-Party, eine Disco für Jugendliche mit bis zu 200 BesucherInnen, zweimal im Jahr
- Afrikatag, unser Gemeindefest im Juni: Die Konzeption mit zwei BesucherInnenschwerpunkten am Vor- und Nachmittag und der thematischen Orientierung hat sich sehr bewährt, gegenüber ca. 100 Teilnehmenden bei unserem letzten traditionellen Gemeindefest im Jahr 2002 besuchten uns mehrere hundert Menschen im Laufe des Tages.
- Presbyteriumswahl: Trotz attraktiv gestaltetem Wahltag (Wahlfrühschoppen) mit vielen BesucherInnen und guter Werbung war die Wahlbeteiligung enttäuschend. Sogar regelmäßig Teilnehmende haben z.T. nicht gewählt und konnten also von der Notwendigkeit der Wahl nicht überzeugt werden (siehe unter II oben). Trotzdem sehen wir uns darin bestätigt, keine allgemeine Briefwahl durchgeführt zu ha- ben: Wenn das Abschicken einer Postkarte eine Schwelle ist, die die Wahl verhindert, dann sollte die Unlust zur Mitgestaltung durch die Wahl auch als solche respektiert werden.
Selbstkritisch müssen wir aber einräumen, dass kaum eine Auswirkung der großen Veranstaltungen auf die kontinuierliche Arbeit und die Verbindlichkeit der Teilnahme erkennbar ist. Als ein Aushängeschild für unsere Lebendigkeit werden diese Veranstaltungen wohl notwendig bleiben. Auch die Erfahrung engagierter Mitar- beit von vielen ist sehr positiv (Afrikatag, Ü13-Party, ökumenische Schulgottesdienste). Wir sollten aber ihre Zahl bewusst eingrenzen, um nicht der Gefahr zu erliegen, das Gesicht eines Veranstalters für besondere Events zu bekommen. Nicht punktuelle Teilnahme erwarten wir von unseren Mitgliedern, sondern verbindli- ches Mitgestalten.
b) Kirche für einzelne: Die Kultur des Kaufens und Verkaufens setzt einzelne Menschen als Gegenüber vo- raus. Wir empfinden es als fatal, dass die strukturelle Ähnlichkeit dieser Vereinzelung mit der Betonung der Einzel-Seelsorge und der Einzelbesuche bis hin zur Zergliederung der Gruppen in der Pädagogik in unserer Kirche nicht erkannt wird. Dazu kommt, dass Erfolge bei einzelnen überprüfbarer zu sein scheinen, während komplexe Systeme unbeeinflussbar erscheinen. Der Kampf gegen die Individualisierung scheint von vielen aufgegeben zu sein.
In unserer Gemeindepraxis ist die Einzelseelsorge eine dem gemeinschaftlichem Leben untergeordnete Funktion: Die weitaus meisten Nachfragen um Einzelseelsorge kommen von den kontinuierlich Teilnehmen- den. Darüber hinaus ist Gruppenseelsorge ein wichtiger Aspekt unseres Gemeindelebens: der seelsorgliche Charakter unserer Gottesdienste wird immer wieder betont und die „Gefühlsrunde“ am Beginn vieler Ge- meindegruppen hat oft seelsorglichen Charakter.
III Unser Leiden
Wir wollen nicht nur Anwälte der Leidenden sein, sondern wir erkennen uns selber als Leidende:
1) Materielle Not
Auch auf dem Maifeld ist erkennbar, dass es immer mehr Menschen gibt, die einen sozialen Abstieg erleben oder befürchten. Uns ist als Gemeinde wichtig, dass sie selbstverständlich als notwendiger Dienst der Ge- meinschaft an den Mitgliedern unterstützt werden und in das normale Gemeindeleben unauffällig integriert sind. Ihr Leiden ist das Leiden der Gemeinde. Ihnen zu helfen hilft der Gemeinde.
Der „Münstertreff“ ist eine Gemeinwesenarbeit mit angegliederter Spiel- und Lernstube zur Unterstützung und Begleitung der sozial Benachteiligten auf dem Maifeld in Kooperation mit Caritas. Auch hier spielt neben der materiellen Unterstützung die soziale Integration eine wesentliche Rolle. Nicht Armenfürsorge, sondern das Leben an der Seite der Armen ist die Absicht. Aufgrund der Wandlung vieler Schulen auf dem Maifeld in Ganztagsschulen und der Angliederung der Jugendhilfe an diese Schulen wird sich die Arbeit grundlegend ändern. Wir arbeiten an einer Konzeption, die die Arbeit mit den Vorschulkindern in den Mittelpunkt rückt.
Ende 2007 schied Bernhard Wibben aus seinem Dienst im Münstertreff aus (bedingt durch seinen stärkeren Einsatz im Religionsunterricht an den Maifelder Schulen). Für ihn wurde Ursula Lamm eingestellt.
2) Immaterielle Not
Die rasanten Veränderungen im Sozialverhalten sind auf dem Maifeld genauso wie anderswo spürbar: weite- re Vereinzelung, individualisierte Menschen, die sich oft in virtuellen Lebenswelten besser zurechtfinden als in sozialen Zusammenhängen, immer mehr verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche, überforderte und gehetzte Menschen, hemmungslose Rücksichtslosigkeit und Egozentrik, das Verlernen von Verhaltensfor- men in der Gemeinschaft und von Ritualen, Unfähigkeit und Unlust auf Kontinuität und Bindung.
Wir erkennen in diesen Phänomenen soziales Leiden. Wir sind in der Gemeindepraxis andauernd mit dieser Not konfrontiert, in unseren Gruppen, besonders auch in großen Veranstaltungen, wenn z.B. die Rücksichts- losigkeit von Eltern beim Schulanfangsgottesdienst sowohl den Gottesdienst empfindlich stört als auch die Kinder unter starken Druck setzt. Wir versuchen dem in unseren Zusammenhängen soziales Lernen entge- genzusetzen.
3) Leiden mit anderen / Compassion
Die Besucherinnen aus unserem Partnerschaftsprojekt ekupholeni, einem psychologischen Anti-Aids- und Anti-Armuts-Projekt in den Townships von Johannesburg in Südafrika, veranstalteten bei uns im März 2008 einen Infoabend und gestalteten einen Gottesdienst. Sie signalisierten uns sehr deutlich, dass wichtiger als finanzielle Unterstützung das gegenseitige voneinander Wissen und das Wahrnehmen des Leidens ist.
Wir versuchen in der Gemeindearbeit zu vermitteln, dass es um das Mitleiden mit den anderen geht und dass „süße Wohlfahrt“, die Erleichterung des Gewissens durch Zuwendungen an die Armen, letztlich nicht hilfreich ist.
Das Erinnern an geschehenes Unrecht spielt in diesem Zusammenhang ebenso eine Rolle. Seit Jahren ge- stalten wir den Gedenkgottesdienst anlässlich der Reichspogromnacht gemeinsam mit der jüdischen Kultus- gemeinde, der katholischen Kirchengemeinde und dem Förderverein Synagoge in der Stiftskirche und in der alten Synagoge in Münstermaifeld. Die gemeinsame intensive Vorbereitung und die Feier des Gottesdiens- tes einschließlich des gemeinsamen Kaddisch nach dem jüdischen Klagegebet sind ein besonderes Erlebnis für viele.
IV Getragen in der Gemeinde
Unseren Glauben an den gerechten und liebenden Gott und das Erleben der Gemeinschaft in der Gemeinde wollen wir als Widerstandspotential gegen eigenes und fremdes Leiden entdecken:
1) Getragen von Gott
Die bewusste Entscheidung für den Weg mit Gott bekommt in der Gemeinde mehr Gewicht. Dies wird im Bi- belkreis, in den jeweiligen Bibelgesprächen in unseren Gruppen und in selbstbewusst von Gemeindegliedern gestalteten Gottesdiensten deutlich. Es ist auch auffällig, dass als Jugendliche und Erwachsene getaufte Ge- meindemitglieder bei uns eine größere Rolle spielen: In den letzten zwei Jahren wurden vier Erwachsene nach aufwendigem Taufunterricht getauft und sind weiterhin in der Gemeinde aktiv. Von den 26 Jugendli- chen des MitarbeiterInnenkreises sind mehr als ein Viertel (7) als Jugendliche getauft worden.
Im Berichtszeitraum waren zwei aktive Gemeindemitglieder lebensgefährlich erkrankt. Das Gebet für sie im Gottesdienst und in den Häusern haben wir als befreiend und hilfreich erlebt.
2) Getragen in der Gemeinschaft
a) Hohe Gruppenidentifikation: In unseren Gruppen wollen wir Verbindlichkeit, Verlässlichkeit und Acht- samkeit für andere miteinander einüben. Viele Gruppen (Spiritualchor, Blockflötenensemble, MitarbeiterInnenkreis für den KonfirmandInnenunterricht, Bibelkreis, Frauenhilfe, MitarbeiterInnenkreis für KIBIZ, Presbyterium ) üben eine hohe Gruppenidentifikation aus. Anteilnahme und Helfen, gleichberechtigter Umgang, gemeinsames Feiern und Trauern und gemeinsa- me Auseinandersetzung mit dem Wort Gottes sind hier verwirklicht. Die Mitarbeitenden empfinden ihre Teil- nahme auch als persönliche Stärkung. Eine junge Frau sagte: „Der MitarbeiterInnenkreis und meine Mitar- beit im KonfirmandInnenuntericht gibt mir mehr Sicherheit und hilft mir, mich vor vielen Menschen auszudrü- cken.“
Das Presbyterium versteht sich neben seiner Funktion als Gemeindeleitung auch als Gruppe, in der sich die Mitglieder gegenseitig Halt geben. Das Presbyteriumswochenende mit PartnerInnen im November 2007 auf den Spuren der Elisabeth von Thüringen hat dem Zusammenhalt einen neuen Schub gegeben. Zur Presby- teriumswahl ist es gelungen, 11 engagierte KandidatInnen für die 8 Plätze zu gewinnen. Nach der Wahl sind zwei von acht PresbyterInnen und eine Mitarbeiterpresbyterin neu im Presbyterium. Die Nichtgewählten brin- gen sich in Ausschüssen und im sonstigen Gemeindeleben gut ein. Im November 2008 ist ein Presbyte- riumswochenende auf den Spuren von Thomas Müntzer geplant.
Im Sommer 2008 konnte die Kirchengemeinde erstmalig eine (rein ehrenamtlich organisierte) Kinderfreizeit anbieten: 23 Kinder zwischen 6 und 12 Jahren erlebten 10 Piratentage im Hunsrück.
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die in den verschiedenen Bereichen Aktiven auch diejenigen sind, die im Gottesdienst und anderswo regelmäßig teilnehmen. Passive Konsumtion findet fast nur in den „Events“ statt.
b) Ausbau der Treffpunkte: Der Blick für die anderen Bereiche und für das Ganze der Kirchengemeinde konnte verbessert werden: Die zweite MitarbeiterInnensegnung im Januar 2008 ( Segnung der neu einge- stiegenen und der ausscheidenden MitarbeiterInnen und anschließendes gemeinsames Essen) war genauso erfolgreich wie die neu eingeführte MitarbeiterInnenparty nach dem Reformationsgottesdienst 2007. Dies, die gemeinsame Mitarbeit beim Afrikatag im Juni 2008 und die gemeinsame Verabschiedung von Michael Stoer als Pfarrer unserer Gemeinde im August 2008 hat das Kennenlernen und voneinander Wissen ver- stärkt. Die Christmette mit anschließender kleiner „Gemeindeweihnachtsfeier“ im Pfarrhaus, das Tischabend- mahl am 2. Weihnachtstag (2007 das zweite Mal gefeiert) und der Osterfrühgottesdienst auf dem Sammetz- kopf mit anschließendem Osterfrühstück haben eine ähnliche verbindende Funktion.
V Subjekte der Veränderung
Wir wollen uns als Versammlung von Menschen verstehen lernen, die nicht nur Leidende, sondern auch Subjekte der Veränderung hin zu einer anderen, besseren Welt sind. Wir sind uns dabei bewusst, dass die letztliche Erlösung dieser Welt nicht unser Werk sein wird. Und doch ist es wichtig, unsere Aufgaben als Got- tes Mitarbeiter am Gottesreich zu erkennen:
1) Gemeindegruppen als Orte der Mitgestaltung und Veränderung
Wir verstehen unsere Gruppen nicht als Angebote der Kirchengemeinde zur Freizeitgestaltung und Sinnfin- dung (siehe unter II,2), sondern als Orte der Mitgestaltung und Veränderung der Gemeinde und der Welt. Z.B.:
In den MitarbeiterInnenkreisen (für KU und KIBIZ) werden viele (jugendliche) Gemeindemitglieder als Pädagogen eingeübt und treten dann als solche auf.
Die musikalischen Gruppen (Spiritual-Chor, Blockflötenensemble und beiden neuen Gospelchöre für Kinder und Jugendliche) prägen unser Gesicht nach innen und außen.
Der Redaktionsausschuss verantwortet die wöchentlich erscheinende Gemeindeseite, unseren Ge- meindebrief, in dem amtlichen Mitteilungsblatt, die weit über die Gemeinde hinaus Öffentlichkeit für unsere Themen bewirkt. Für die aufwendige ehrenamtliche Arbeit des Layouters (mehrere Stunden in der Woche) konnte nach dem Ausscheiden des bisherigen Layouters wieder jemand gewonnen wer- den.
Der Ausschuss für Theologie und Gottesdienst soll sich wieder monatlich treffen und wird u.a. das seit 4 Jahren in intensivem Gebrauch befindliche Gemeindeliederbuch neu bearbeiten und herausgeben.
Die Steuerungsgruppe ist neu einberufen und erarbeitet auf der Grundlage des Leitbildes eine Ge- meindekonzeption. Auf die Beschreibung einer solidarischen Sicht auf die Gemeinderealität wird die Formulierung konkreter Visionen für die nächsten Jahre folgen. Diese Arbeit und die jährliche Auswer- tung werden die Arbeit der Gemeinde verändern.
2) Teilhabe an gesellschaftlicher Einflussnahme
Die Gemeinde beteiligt sich (wenn auch oft nur mit wenigen Personen) an Gruppen oder Aktionen, die unse- re Gesellschaft auf eine menschlichere Welt hin erändern wollen:
Unsere Gemeinde ist Mitglied im Ökumenischen Netz. Dessen aktive Arbeit im Vorstand und im Ar- beitskreis Theologie und Politik wird von einigen von uns mitgetan.
Wir sind als Kirchengemeinde Mitglied im Förderverein Synagoge Münstermaifeld und im Förderver- ein Münstertreff und arbeiten jeweils im Vorstand mit.
Wir haben uns an der Demonstration gegen das Atomwaffenlager in Büchel beteiligt. Nach unseren Gottesdiensten liegen immer wieder Unterschriftenlisten zu gesellschaftlichen Themen im Zusammenhang von Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung aus.
In unserm Engagement gegen Leiden wird unser Leitbild konkret: Wir wollen ein Haus mit offenen Türen sein.
Erarbeitet und beschlossen im Presbyterium am 9. September 2008