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Unterwegs zu einer ökumenischen, prophetischen und diakonischen Gemeinde
Der „Wetzkopp“ ist ein schwerer Steinhammer der Mayener Steinhauer. Unter diesem Namen gaben wir über viele Jahre Texte heraus, die wir gefunden und selbst geschrieben hatten, Predigten, Bibelarbeiten, Aufsätze: von Dorothee Sölle, Luise Schottroff, Karl Barth, Philipp Potter, Georges Casalis und vielen anderen Müttern und Vätern von Kirchengeschichte und Ökumene. Sie waren oft zugespitzt und parteiisch, riefen Unbehagen und Widerstand hervor. Der abgedruckte „Wetzkopp Nr. 25“ von Günter Reese erlebte vier Auflagen. Er war Pflichtlektüre in unseren Seminaren und biblischen Grundkursen.[Gernot Jonas]
Günter Reese: Unterwegs zu einer ökumenischen, prophetischen und diakonischen Gemeinde
– EINE BIBLISCHE PERSPEKTIVE –
Ist mein Wort nicht wie ein Hammer,
der Felsen zerschmeißt ? spricht der Herr.
JEREMIA 23,29
Was ist die Kirche? Nach dem, wie sich die Kirche heute gibt, ließe sich folgende Antwort denken: Die Kirche ist die Organisation der Christen. Christen sind aber sehr verschiedene Menschen, mit unterschiedlichen Auffassungen und Einstellungen. Vor allem gehen ihre Erwartungen an die Kirche auseinander. Aufgabe der Kirche sollte es darum sein, die Christen zusammenzuhalten. Sie muß jedem das Gefühl geben, er oder sie gehöre dazu, und nach Möglichkeit jeden in der Kirche das finden lassen, was er oder sie sucht. Dieses Konzept wird oft mit großer moralischer Gebärde vorgetragen. Die die Kirche in Atem haltende Frage lautet: Wie gehen wir miteinander um?
Trotzdem sind Streit und unschöne Auseinandersetzungen an der Tagesordnung. Dann ist man bemüht, Streit zu vermeiden, indem man die brisanten Fragen ausläßt und den kleinsten gemeinsamen Nenner sucht. Das führt jedoch schnell zu der ebenso oft beklagten Belanglosigkeit kirchlichen Lebens. Streit oder Belanglosigkeit – beides stößt Menschen ab. Vielen bietet die Kirche das traurige Bild endloser Streitigkeiten oder tödlicher Unerheblichkeit.
Dies wird sich kaum ändern, wenn es die Kirche um ihres Zusammenhaltes willen weiterhin unterläßt, sich vom Wort Gottes, also von ihrem Grund und Zentrum her zu fragen, was ihr Wesen und ihr Auftrag ist. Es hätte nie eine Reformation und nie eine Bekennende Kirche gegeben, wenn die Kirche sich nur formal als Organisation von Christen verstanden oder „Toleranz“ als Verzicht auf die Wahrheitsfrage vertreten hätte. Als das Volk Gottes ist die Kirche nicht frei, sich aus der Summe ihrer Mitglieder und deren Vorstellungen heraus zu verstehen. Wesen und Auftrag der Kirche stehen nicht zur Disposition. Auch wenn sich die Kirche aus nichts anderem als nur den Mitgliedern zusammensetzt, darf sie sich, wenn sie Kirche des Jesus Christus sein will, nicht an den Mitgliedern orientieren. Die Kirche ist dem einzelnen Christen vorgegeben.
Es ist leicht, die Kirche zu kritisieren und ihr ihre eigene Theorie vorzuhalten, der eine so mäßige Praxis gegenübersteht. Es ist noch leichter, dieses jedem offensichtliche Mißverhältnis zu verklären oder zu verharmlosen. Dann verdirbt die mangelhafte Praxis auch noch die Theorie. Es bleibt keiner Generation erspart, Jeweils für ihre Zeit neu zu bekräftigen, was Wesen und Auftrag der Kirche ist, und dies in Vertrauen und Gehorsam gegenüber dem Wort Gottes in Praxis zu überführen. Was ist die Kirche? In unserer Gemeinde sind wir dabei, eine Perspektive zu entwickeln, die zu mehr Klarheit und Substanz und damit größerer Einheit im gemeindlichen Leben führen soll. Uns leitet die Vision einer „ökumenischen, prophetischen und diakonischen Gemeinde“. Was ist damit gemeint?
EINE ÖKUMENISCHE GEMEINDE
Zu den von altersher in Geltung befindlichen Merkmalen der Kirche gehört ihre „Katholizität“ (aus dem Griechischen für „die ganze Erde umfassend“). Die Kirche des Jesus Christus ist wesenhaft universal, internationalistisch. Die Bibel handelt ja von der Geschichte Gottes mit der Welt. Er ist ihr Schöpfer und Erlöser. In dieser Geschichte hat die Kirche eine wichtige Aufgabe. Sie soll mit ihren Horten, ihrem Tun und ihrem Leben Gott als den Schöpfer und Erlöser der Hell bezeugen. Die Kirche ist also auf die Welt bezogen. Darum sagt Jesus in der „Missionserlaubnis“, die er seinen Jüngern gibt: „Geht hin in alle Welt!“ (Matthäus 28,19) Die Jünger sollen seine Zeugen sein „bis an die Enden der Erde“ (Apostelgeschichte 1,8). Jesus Christus, so heißt es später im Epheserbrief, erfüllt die ganze Welt mit seinem Leib (Epheser 1,23). Die Kirche kann nur weltweit Kirche sein, oder sie ist nicht die Kirche des Jesus Christus. Das meinen wir, wenn wir sagen, daß wir eine ökumenische Gemeinde sein sollen. Wir entfalten dies unter drei Gesichtspunkten.
1. Eine ökumenische Gemeinde kann nicht mehr provinziell sein
Eine Kirche oder Gemeinde ist provinziell, wenn sie sich nur um ihre Belange, ihren Fortbestand, ihr Glaubensleben oder ihre eigenen Mitglieder kümmert. „Was gehen uns die andern an?“ heißt es dann, oder: „Haben wir nicht bei uns genug Probleme?“ Oder es werden Millionen auf die hohe Kante gelegt, um eventuelle spätere Engpässe zu meistern, während woanders das Nötigste fehlt. Eine Kirche oder Gemeinde ist provinziell, wenn sie ihre jeweilige Erfahrung und Situation zum Maßstab dessen macht, was in der Kirche überhaupt gelten soll. Dann wird in unserem Land eine Theologie, die die Überwindung von Hunger, Armut und Unterdrückung umfaßt, als „politisch“ abgetan. Warum? Weil es den Wortführern dieser Ablehnung gut geht, weil ihre Kinder nicht hungrig zu Bett gehen oder an Tbc sterben müssen. Dann wird, um noch ein Beispiel zu nennen, die Frage des Friedens aus der beschränkten Sicht des Ost-West-Konfliktes betrachtet, ohne zu berücksichtigen, wie sich das unaufhaltsame Wettrüsten oder der Waffenexport woanders auswirken und unsere Politik dort empfunden wird.
Eine Kirche und Gemeinde ist provinziell, wenn sie nicht alles tut, bei ihren Mitgliedern jede Form von Stammesdenken, Gruppenegoismus, nationaler, rassischer und kultureller Überheblichkeit zu überwinden. Sie ist ökumenisch, wenn sie das herrschende Einverständnis mit der wirtschaftlichen und politischen Vormachtstellung der reichen Länder über die armen durchbricht. Sonst macht sie sich zum Instrument staatlicher oder gesellschaftlicher Interessen, die sich mit einer gewissen Logik auf Wohlstand und Wachstum des eigenen Landes konzentrieren. Eine sich ökumenisch verstehende Kirche weiß sich dem Völkerrecht, dem Weltfrieden und einer neuen, gerechteren Weltwirtschaftsordnung verpflichtet. Sie macht sich zum Anwalt derer, die weltweit unter die Räder der eigennutzorientierten politischen und wirtschaftlichen Maßnahmen unseres Landes geraten.
2. Eine ökumenische Gemeinde widersteht der Gefahr, als Kirche allgemeingültig und zeitlos zu sein
Manche Christen vertreten die Auffassung, die Kirche könne und müsse sich aus Zeit und Geschichte heraushalten. Sie habe eine ewige Wahrheit und einen immer gleich bleibenden Auftrag. Die Bibel bezeugt es aber anders. Sie sagt, daß die Menschheitsgeschichte in Wirklichkeit die Geschichte Gottes mit den Menschen ist, genauer: eine Geschichte aus menschlicher Verfehlung und göttlicher Zuwendung, aus Sünde und Gnade, aus Gericht und Neubeginn, eine Geschichte zwischen Schöpfung und Vollendung. Die Kirche lebt in dieser Geschichte und soll jeweils in ihrer Zeit mit ihrem Glauben und Gehorsam Jesus Christus bezeugen. Dabei lebt sie in der Gewißheit, daß Jesus Christus als der Lebendige gegenwärtig ist. Er war damals, aber er ist auch heute. Er begegnet der Kirche heute, er redet heute zu ihr, er ruft sie heute in seine Nachfolge. Das vollzieht sich nicht in einem besonderen Bereich, nicht in der „Seele“ und nicht im „Himmel“, sondern mitten in den Ereignissen der Zeit und Geschichte, in der die Kirche jeweils lebt.
In der ökumenischen Bewegung haben die Kirchen erkannt, daß es heute ganz besonders um eine große historische Herausforderung geht, in der sie Jesus Christus zu bezeugen haben: die weltweite Ungerechtigkeit, Hunger und Unterdrückung, in der Millionen von Menschen um ihr Leben kommen. Wenn diese bedrückenden Tatsachen immer wieder genannt und erörtert werden, dann soll das nicht heißen, daß es für Verkündigung und Praxis der Kirche keine anderen Themen und Inhalte mehr gebe. Das ist ja auch in der ökumenischen Bewegung nicht der Fall. Vielmehr drückt sich darin die Überzeugung aus, daß sich die Kirchen in dieser bestimmten historischen Situation mit einer unabweislichen Dringlichkeit und Priorität von Jesus Christus selbst vor diese Aufgaben gestellt sehen. Immer hat es für die Kirche ähnliche historische Herausforderungen gegeben, denken wir nur an die soziale Frage im 19. Jahrhundert oder die Frage des Sklavenhandels im 18. Jahrhundert. Meist hat die Kirche versagt. An der Hypothek trägt sie bis heute. Eine ökumenische Gemeinde möchte sich daran beteiligen, der historischen Berufung der Kirche in dieser Zeit zu entsprechen.
3. Eine ökumenische Gemeinde ist eine Jesus Christus bekennende Gemeinde
Eine ökumenische Gemeinde widersteht der Tendenz, aus falsch verstandener „Toleranz“ und im Geist scheinbar demokratischen Pluralismus‘ die Gestalt ihrer Botschaft in viele, sich gegenseitig bekämpfende Einzelmeinungen aufzulösen. Sie kann sich nicht damit abfinden, daß subjektive Willkür im Verständnis von Bibel und Glauben das Feld „beherrschen soll. Das Liebesgebot der Stunde heißt nicht, jedem „seinen“ Glauben zu glauben und zu belassen. Individualismus ist nicht die Summe reformatorischen Erbes, sondern die Wiederentdeckung des Christusbekenntnisses. Eine ökumenische Gemeinde nimmt von neuem die Frage nach dem Bekenntnis der Kirche auf. Das Bekenntnis hat in der Kirche seit alters die Funktion gehabt, in Glaubens- und Lebensfragen in einer bestimmten Zeit Klärungen und Entscheidungen herbeizuführen. Es war der oft beschwerliche Versuch der Kirche, auf der Basis eines gemeinsamen Bekenntnisses neue Einheit zu stiften. Dieser Versuch war zwar immer mit Abgrenzungen und damit schmerzlichen Brüchen verbunden, andererseits bedeutete er eine große Hilfe, wenn es darum ging, Klarheit und Eindeutigkeit über den eigenen Auftrag zu gewinnen. Keine Kirche kann ohne Bekenntnis leben und ihre Einheit bewahren. Unsere Kirche hat deshalb Bekenntnisse, die hoch geschätzt werden: das apostolische und das nizänische Glaubensbekenntnis, die Bekenntnisse der Reformation und die Theologische Erklärung von Barmen 1934. Sie sollen ein einigendes Band darstellen, tun dies in gewisser Weise auch, ohne aber – wie wir erleben müssen – wirklich einigend zu sein. Das ist nicht verwunderlich. Das Wesen eines Bekenntnisses ist gerade seine Aktualität. Mit dem Bekenntnis antwortet die Kirche in Klarheit und Eindeutigkeit auf eine bestimmte Herausforderung. Es hat seinen Sinn, Bekenntnisse von früher lebendig zu erhalten, aber sie können die Notwendigkeit neuen Bekennens in einer neuen Herausforderung nicht überflüssig machen.
Bekenntnisse lassen sich nicht „machen“. Die Erfahrung der Kirche ist: sie werden ihr geschenkt, wenn sie gehorsam ist und sich den Herausforderungen stellt. Dabei wird ihr auch eine unerwartete Einmütigkeit zuteil. Diese Erfahrung hat die Kirche in der Reformationszeit gemacht und auch während des Naziregimes. Sie macht sie heute im Zusammenhang der weltweiten ökumenischen Gemeinschaft. Die Weltmissionskonferenz von Melbourne ist ein Beispiel dafür. Über 500 Delegierte aus vielen Ländern der Welt, aus den unterschiedlichsten politischen Situationen und kulturellen Traditionen, mit sehr voneinander abweichenden Glaubenstraditionen, kamen im Mai 1980 in Melbourne zusammen, um unter dem Thema „Dein Reich komme“ zu einem gemeinsamen christlichen Zeugnis heute zu finden. Die Voraussetzungen dafür, daß sie sich einigen könnten, waren so begrenzt, wie es die Verschiedenheit der Delegierten erwarten ließ. Aber sie hatten besondere Gäste geladen: einen Bauern aus Guatemala, eine Industriearbeiterin aus Malaysia, Ureinwohner aus Australien usw. Sie repräsentierten keine Kirchen, sondern die weltweite Ungerechtigkeit mit ihren Folgen:
Hunger, Krankheit, Vertreibung, Ausbeutung, Unterdrückung und vielfacher Tod. Das Unerwartete geschah. Ungeachtet aller theologischen und ideologischen Unterschiede einigte sich die Konferenz auf klare und deutliche Aussagen. Sie nannte die Verhältnisse beim Wort, rief unüberhörbar zur Umkehr auf und bekannte sich in Vertrauen und Gehorsam zu Jesus Christus, dem alleinigen Herrn. Ähnliche Erfahrungen hat die Weltchristenheit bei ihren Vollversammlungen in Nairobi 1975 und in Vancouver 1983 gemacht.
Eine ökumenische Gemeinde weiß sich der ökumenischen Belegung und dem Ökumenischen Rat der Kirchen zugehörig. Sie ist überzeugt, daß der Weg der Ökumene auch ihr Weg ist. Sie dankt Gott für das in der Ökumene immer klarer und eindeutiger hervortretende Bekenntnis zu Jesus Christus unter den Bedingungen und Herausforderungen der Gegenwart. Sie sucht und empfängt in der Ökumene auch die Klarheit und Eindeutigkeit, die sie für ihr eigenes Reden und Tun braucht. Sie glaubt, daß auch bei uns nur über diesem neuen, aktuellen Bekennen die Einheit der Kirche wiedergewonnen wird.
EINE PROPHETISCHE GEMEINDE
Das „Prophetische“ gehört nicht zu den traditionellen Merkmalen der Kirche. Trotzdem hat es einen festen Platz in der Tradition der Kirche. Schon die Bezeichnung „Mose und die Propheten“ für die Schriften des Alten Testaments zeigt die Bedeutung der prophetischen Überlieferung für die ersten christlichen Gemeinden. Jesus stellt . sich selbst und seine Jünger in eine Linie mit den Propheten (vgl. Lukas 4,24 u. Matthäus 5,12). Die frühen Gemeinden kennen ein Prophetenamt, das sie z.T. dem Apostelamt gleichsetzen (vgl. Epheser 2,20). Später wird die Lehre von einem „prophetischen Amt“ Jesu entwickelt, das vor allem in seiner Verkündigung besteht.
Wenn wir heute „das Prophetische“ als Kennzeichen der Kirche aufgreifen, beziehen wir uns wieder mehr auf die Propheten des Alten Testaments. Wie wird die Kirche der Tatsache gerecht, daß sie eine so aufregende und explosive Überlieferung wie die prophetische zu ihren „Heiligen Schriften“ zählt? Um Mißverständnissen vorzubeugen: Es geht nicht darum, die Propheten von damals heute zu kopieren. Zum Propheten wird einer oder eine von Gott berufen, in einer einmaligen Situation zu einem außergewöhnlichen, oft gewaltsam beendeten Leben. Eine prophetische Gemeinde will also keine Gemeinde von Propheten sein, wohl aber eine Gemeinde, die sich der prophetischen Tradition verpflichtet weiß. In der biblischen Überlieferung treten die Propheten zu dem Zeitpunkt auf, als Israel sich einen König gibt, weil es der Sachzwang einer zeitgemäßen staatlichen Ordnung zu erfordern scheint. Gegen die so entstehende Konzentration von Macht und ihren schnell einsetzenden Mißbrauch stehen die Propheten: Nathan gegenüber David (vgl. 2, Samuel 11 und 12), Elia gegenüber Ahab (vgl. l. Könige 21) oder Jeremia gegenüber Hof und Höflingen in Jerusalem (vgl. Jeremia 26 und folgende). Wie ein Stachel in der Selbstherrlichkeit der Macht begleiten die Propheten die politische Existenz Israels. Sie erinnern an Gottes Gebot und Gerechtigkeit, an das allen geltende Heilsversprechen Gottes, seit er Israel aus Ägypten befreit und einen Bund mit ihnen geschlossen hatte. Ihrem Wirken weiß sich eine prophetische Gemeinde in dreifacher Weise verbunden.
1. Eine prophetische Gemeinde widersteht der Versuchung der Anpassung an die jeweils herrschenden Interessen und Überzeugungen.
Sie ist wachsam gegenüber jeder Form von Macht und mischt sich ein, wenn Macht mißbraucht wird. Sie bleibt auf Distanz zu den Mächtigen, die Religion schon immer zur Legitimation ihrer Macht zu vereinnahmen suchten. Sie sieht in dieser Distanz gerade ihren Beitrag zum politischen Leben. Sie begleitet die Politik mit ihrer ständigen, an der prophetischen Überlieferung geschärften Machtkritik.
2. Eine prophetische Gemeinde widersteht der Versuchung der ausgewogenen, betulichen Neutralität, durch die sie nichts anrichtet, aber auch nichts ausrichtet.
„Weh euch, wenn euch alle Leute loben,“ warnt Jesus seine Jünger (Lukas 6,26). Eine prophetische Gemeinde ist parteilich. Sie steht auf der Seite der Opfer der Macht, der Armen und Unterdrückten, der Geringen und Übergangenen, der Diskriminierten und an den Rand Gedrängten. Für sie ist der Rand die Mitte. Im Gefolge prophetischer Überlieferung weist sie auf Werk und Wort Gottes. „Sie erinnert an Gottes Reich, Gottes Gebot und Gerechtigkeit“, wie es in der Barmer Theologischen Erklärung heißt.
3. Eine prophetische Gemeinde strebt nicht nach Macht und Erfolg. Mit ihrer Ohnmacht stellt sie die Macht der Mächtigen bloß.
Sie taktiert nicht und schüchtert niemanden ein. Sie will sich nicht durchsetzen. „Sie vertraut und gehorcht der Kraft des Wortes, durch das Gott alle Dinge trägt“ (5. Barmer These). Ihre Worte und Taten sind Zeichen, die auf Jesus Christus hinweisen sollen, dem alle Macht im Himmel und auf Erden gegeben ist.
Eine prophetische Gemeinde weiß, daß Propheten wenig Ansehen genossen und oft erst im Nachhinein recht behalten haben. Sie sind ins Leiden geraten und verfolgt worden. Vielen ist Gewalt angetan worden. Jesus und vielen, die ihm nachfolgten, erging es ebenso, bis heute. Eine prophetische Gemeinde weiß aber auch, daß solches Leiden neues Leben bewirkt, daß Heil und Segen für diese Welt oft von der Bereitschaft weniger Menschen abhängt, sich in Mitleidenschaft ziehen zu lassen. Sie weiß: wenn sie an und durch die Welt, wie sie ist, leidet, dann, weil die neue Welt Gottes sie schon erreicht hat und anfängt, ihr Leben zu bestimmen. Sie glaubt dem Wort Jesu:
„Freuen dürfen sich alle, die verfolgt werden, weil sie tun, was Gott verlangt, denn sie werden mit ihm in der neuen Welt leben“ (Matthäus 5,10).
EINE DIAKONISCHE GEMEINDE
Zu den traditionellen Merkmalen der Kirche wird ihre „Heiligkeit“ gerechnet. Damit will sich die Kirche nicht selbst „heilig sprechen“, sondern darauf hinweisen, daß sie unter dem Zuspruch und Anspruch Jesu Christi steht und stehen möchte, der ihre Rechtfertigung und Heiligung ist. „Durch ihn widerfährt uns frohe Befreiung aus den gottlosen Bindungen dieser Welt zu freiem, dankbaren Dienst an seinen Geschöpfen“ (2. Barmer These). „Diakonie“ ist der Fachausdruck für diesen Dienst. Es ist der Dienst der Liebe, der sich an Jesu Wort und Werk orientiert: „Gleichwie mich der Vater gesandt hat, so sende ich.euch“ (Johannes 20,21). Es ist der Dienst der Versöhnung der Welt, die in Jesus Christus schon ihren Anfang genommen hat: „Wir bitten für Christus: Lasset euch versöhnen mit Gott“ (2. Korinther 5,20). Aus Liebe und um der Versöhnung der Welt willen predigen, mahnen, warnen, protestieren und bitten wir. Aus Liebe und um der Versöhnung der Welt willen helfen, heilen, begleiten, kämpfen und verändern wir. Dabei sind vor allem drei Gesichtspunkte für eine diakonische Gemeinde wesentlich:
1. Eine diakonische Gemeinde weiß von der Zweideutigkeit alles Religiösen und der Problematik theologischer Systeme und dogmatischer Rechtgläubigkeit.
Sie weiß, daß Religion zum Paradies des ichbezogenen, sich dem Nächsten und der Welt entziehenden Menschen werden kann. Sie hält ihren Glauben nicht für eine Kuriosität oder das Hobby einiger wider Erwarten noch religiös veranlagter Menschen, sondern für eine Lebenspraxis, die alle Bereiche des Lebens durchdringt und meist ganz „weltliche“ Züge trägt. Wenn der Gottesdienst endet, ist ihr Gottesdienst nicht zuende. Sie lebt nicht für den Sonntag, sondern für den Alltag, nicht für das Jenseits, sondern das Diesseits, nicht in frommer Verschlossenheit, sondern in tätiger Entschlossenheit. Sie lebt auch nicht für die Theorie, sondern für die Praxis, ihr Glauben ist keine Sache des Kopfes, sondern des Herzens und der Hand. Ihre Wahrheit beruht nicht auf Doktrinen und Lehrsätzen, ihre Wahrheit ist der lebendige Jesus Christus, der unter ihr als der Herr gegenwärtig handelt (3. Barmer These) und ihr dorthin vorangeht, wo er ihren Dienst erwünscht.
2. Eine diakonische Gemeinde orientiert sich nicht an ihren eigenen Belangen.
Sie ordnet ihre Verhältnisse nicht nach ihrem institutionellen Interesse. Sie macht sich nicht zum Maß und Mittelpunkt ihres Lebens. Sie dient sich nicht selbst und sie bedient sich nicht. Sie weiß, daß auch sie gemeint ist, wenn Jesus sagt: „Wer sein Leben retten will, der wird es verlieren; wer aber sein Leben verliert um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der wird es retten“ (Markus 8,35). Sie lebt und arbeitet nicht nur in der Kirche oder für die Kirche. Sie kann selbstvergessen mit anderen zusammenarbeiten. Sie schließt Bündnisse und achtet nicht auf ihr Prestige. Es geht ihr ja um einen freien, dankbaren Dienst an Gottes Geschöpfen, nicht um einen krampfhaften, tötenden Dienst, der ihre Unentbehrlichkeit beweisen, ihre Privilegien sichern oder eine, feinere Form von Herrschaft darstellen soll.
3. Eine diakonische Gemeinde stellt ihren Dienst in den Horizont des Reiches Gottes.
Weil sie dem gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus nachfolgt, ist ihr Dienst Zeichen und Zeugnis für die österliche Macht des neuen Lebens. Auch das Helfen und Heilen Jesu war viel mehr als die liebevolle Hinwendung eines guten Menschen zu den Armen und Kranken. Es war ein Hinweis auf die schon anbrechende neue Welt Gottes. Es bedeutete gleichzeitig die Verurteilung der Verhältnisse und Strukturen einer vergehenden Welt. Wie sonst hätten Petrus und Johannes, als sie einen Gelähmten heilten, für eine schlichte „gute Tat“ ins Gefängnis kommen können (Apostelgeschichte 3-5)? Christliche Diakonie ist etwas anderes als eine Form von „Sozialarbeit“, die mit Billigung und Förderung des Staates die Schandflecken .einer Gesellschaft, die peinlichen Folgen ihres Anteils an der Ungerechtigkeit beseitigen oder das Unerträgliche erträglicher machen soll. Eine diakonische Gemeinde wird sich davor bewahren, mit ihrem Dienst ungerechte Verhältnisse zu verklären, zu verschleiern oder zu stabilisieren. Sie weiß sich der Opfer eines Systems verbunden und verpflichtet und wird alles, auch das Geringste, tun, um ihnen zu helfen. Aber sie wird es sich dabei nicht nehmen lassen, für deren Recht und Würde einzutreten und auf eine „Wende“ zu verweisen, wo die Letzten die Ersten, und die Ersten die Letzten sein werden, wie es die Vaterunserbitte um das Reich Gottes meint. Gerade als diakonische Gemeinde wird die Gemeinde ihre ökumenische und prophetische Berufung nicht vergessen.
[Der Wetzkopp, Nr. 25, Mai 1983, Mayen]
Das ‚Ganze‘ verändern
Wenn es im Kapitalismus keine Alternativen gibt, brauchen wir Alternativen zum Kapitalismus.
Das Ökumenische Netz Rhein Mosel Saar e.V. hatte 2004 seine Mitglieder, befreundete Gruppen und Einzelpersonen eingeladen, an der Ausarbeitung einer Position zur gegenwärtigen wirtschaftlichen und politischen Krise mitzuwirken. Während eines Jahres wurden intensive Diskussionen über das Positionspapier geführt. Rückmeldungen und Veränderungsvor-schläge wurden im AK Theologie und Politik des Ökumenischen Netzes diskutiert. Der aktuelle Text wurde dann von der Netzversammlung am 9. Juli 2005 verabschiedet.
dasganzeGemeindebericht 2011
Gemeindebericht 2011 der Evangelischen Kirchengemeinde Maifeld
I) Ihr seid doch keine Sekte?
„Natürlich nicht, wir sind Mitglied der EkiR und haben alle Kennzeichen einer volkskirchlichen Gemeinde.“ So könnte die schnelle Antwort auf die Frage einer römisch-katholischen Christin sein, die ihre Tochter, ein aktives Gemeindemitglied, in einem Sonntagsgottesdienst begleitete.
Doch welche Assoziationen stehen hinter dieser Außenbetrachtung? Eine lebendige, erkennbare Gemeinschaft, freundliche Ausstrahlung, eine einladende, vielleicht sogar werbende Atmosphäre, ein inhaltliches Profil, das auch abgrenzend wirkt – all diese Aspekte unserer Gemeindewirklichkeit könnten diese Frage angeregt haben.
In der Volkskirche scheint es anders zuzugehen: Fast alle sind Mitglied der Kirche. Die Zugehörigkeit vermittelt ein hohes Maß an Sicherheit und ermöglicht gleichzeitig die verschiedensten Varianten von Distanz und Nähe zur Kirchengemeinde. Offenheit und Pluralität auf der einen Seite, Sicherheit, auch in Bezug auf die Positionierung in der Gesellschaft auf der anderen Seite: Diese Aspekte volkskirchlicher Realität sind in beiden großen Kirchen, wenn auch in unterschiedlicher Gewichtung, zu finden. So sehen dann schnell alle anderen christlichen Gemeinschaften wie Sekten aus, sogar volkskirchliche Gemeinden mit einem bestimmtem Profil.
Nun scheint das Ende der volkskirchlichen Strukturen erkennbar zu werden: „Ich denke, dass die Kirche der Zukunft eine Kirche der Entscheidung sein muss und wird. Die Zeit der Volkskirche, wo Menschen in ihren Glauben hinein geboren werden, ist vorbei“ (Bischof Stephan Ackermann, RZ 19.8.2011). „Perspektivisch geht es wohl um die Emergenz einer neuen Gestalt von Kirche, die nicht mehr Großkirche oder Volkskirche sein wird.“ (aus den Visitationsunterlagen der ev. Kirchengemeinde Bendorf, Februar 2011).
Deswegen wird tatsächlich die Frage des theologischen Ausschusses nach unserer Fähigkeit, zu begeistern, also auch nach dem Zugang zu unseren Gemeinden, wie die Frage nach der Bindung an die Kirche, wichtig. Für unsere Kirchengemeinde ergibt sich die Notwendigkeit einer Ortsbestimmung zwischen Verbindlichkeit / Erkennbarkeit auf der einen und Offenheit / Pluralität auf der anderen Seite. Wir leben außerdem in der Überzeugung, ohne ökumenische weltweite Bezüge nicht christliche Gemeinde sein zu können.
II) Offen und verbindlich
Immer noch besteht für viele der erste Zugang in der Inanspruchnahme volkskirchlicher Dienste. Soll der Kontakt kontinuierlicher und verbindlicher werden, spielt die Ausstrahlung einzelner Menschen, aber auch die von Gemeindegruppen und die der Gottesdienste eine große Rolle. Die Bindung an die Kirche vollzieht sich nach unserer Beobachtung immer im direkten Kontakt zu den Menschen vor Ort. Gemeindearbeit ist Beziehungsarbeit, gemeint sind die zwischenmenschlichen Beziehungen genauso wie die gemeinsame Pflege der Gottesbeziehung.
Erfahrbare Gemeinschaft und Verlässlichkeit in den Beziehungen und Kontinuität in der Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, erleben wir auf der einen Seite. Auf der anderen Seite ist die Offenheit und der einladende Charakter unserer Gemeinde groß. Die niedrige Zugangsschwelle erlaubt das problemlose Hineingehen genauso wie das lautlose Herausgehen. Besucherzahlen auf stabilem, nicht niedrigem, aber auch nicht hohem Niveau irritieren. Ist unsere Bindungsqualität nicht hoch genug? Oder sind die Menschen heute vielleicht immer weniger bindungsfähig oder bindungswillig? Vielleicht beschreibt die seit Jahren stabile Situation mit der Tendenz sehr langsamer Steigerung den für uns richtigen Grad zwischen Distanz und Nähe.
Nachfolgend beschreiben wir Eigenschaften unserer Kirchengemeinde, die die Ortsbestimmung erläutern, anhand herausragender Ereignisse des Berichtszeitraumes.
1) Verbindliche Gemeinde
Die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, ist kontinuierlich hoch: Für zwei 2010 nach langjähriger Mitarbeit ausgeschiedene Presbyteriumsmitglieder konnten problemlos Neue gefunden werden, davon hat eine Frau bereits die Aufgabe der Baukirchmeisterin übernommen. Die Verabschiedung und Nachberufung fand im Dezember 2010 statt. Für die Presbyteriumswahl 2012 wird nur eine Presbyterin aus Altersgründen nicht mehr zur Wahl stehen. Für neun Presbyteriumsplätze stehen bis jetzt 11 Kandidatinnen und Kandidaten zur Verfügung. An der jährlichen Wochenendfahrt im November, 2010 auf den Spuren von Philipp Melanchton, haben wieder alle Mitglieder mit ihren Partnerinnen und Partnern teilgenommen.
Der Mitarbeiterkreis für den kirchlichen Untericht besteht aus insgesamt 45 jungen Menschen zwischen 14 und 25 Jahren. 32 davon nehmen regelmäßig an den Treffen am Mittwochabend teil, 18 Jugendliche, davon 10, die nach ihrer Konfirmation 2011 neu angefangen haben, sind im wöchentlichen Konfirmationsunterricht eingesetzt. Die jährliche einwöchige Schulungsfahrt in den Herbstferien leistet weiterhin die wichtige Integrationsarbeit zwischen Alten und Neuen. In diesem Jahr werden wir das erste Mal auf einem Großsegler unterwegs sein. Das Presbyterium hatte die Bereitschaft gezeigt, die höheren Bezuschussungskosten zu tragen.
Das Blockflötenensemble hat nach dem Wegzug von Xenia Schrooten mit Judith Seul eine neue kompetente Leiterin gefunden. Die musikalische Gestaltung des ökumenischen Lichtergottesdienstes am 01.02.2011 und des Karfreitagsgottesdienstes war erstklassig. Das Ensemble besteht derzeit aus 7 Mitgliedern.
Der Spiritual-Chor besteht aktuell aus 21 Sängerinnen und Sängern. Die gute Gruppenatmosphäre und die Qualität der Leitung wird von ihnen ausdrücklich hervorgehoben. Alt und Tenor sind leider trotz Werbung weiterhin gering oder überhaupt nicht besetzt.
Nach einer enttäuschenden Beteiligung an der Mitarbeiterinnen- und Mitarbeitersegnung 2010 haben wir einen persönlichen Einladungsbrief an alle Aktiven gerichtet und hohe Aufmerksamkeit auf die Gestaltung des Segnungsgottesdienstes gelegt. Im Januar 2011 waren die Beteiligung und die Intensität gut. Die Party für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach dem Reformationsgottesdienst hat sich auch im Oktober 2010 als Treffpunkt der unterschiedlichen Altersgruppen und Gemeindebereiche bewährt.
Im Winter 2011 werden wir mit einem biblisch-katechetischen Grundkurs für Erwachsene beginnen. Er soll theologisch interessierte Gemeindemitglieder ansprechen. Der Kurs könnte sich auch als Taufvorbereitung für Erwachsenentaufen anbieten. Wir können auf Arbeitsmaterial der alten Mayener Gemeinde mit befreiungstheologischer Tendenz zurückgreifen.
2) Gemeinde ohne Bindungsdruck
Wir ermöglichen Begegnungen, ohne zu verpflichten und schnell zu vereinnahmen:
Der Gottesdienst am Ostermorgen zum Sonnenaufgang hat mittlerweile eine 25-jährige Tradition und erfreut sich steigender Beteiligung. Um 05:30 Uhr trafen sich in diesem Jahr auf der höchsten Erhebung des Maifeldes, dem Sammetzkopf, ca. 70 Menschen unterschiedlicher Konfessionen, darunter auch einige ohne sonstige Kirchenbindung. Mehr als 40 nahmen am anschließenden Osterfrühstück im Gemeindezentrum teil.
Der Familiengottesdienst am Ostermorgen um 10:00 Uhr spricht viele auch gemeindeferne Familien an. Die Kinder der Kinderbibelzeit (KIBIZ) waren sehr stolz auf das Kreuz aus fünf Passions- und Osterbildern, die sie auf Plexiglas mit Ölfarben gemalt hatten. Das Kreuz stand im Mittelpunkt des Gottesdienstes und findet bei Gottesdiensten auch außerhalb des Gemeindezentrums weiter Verwendung.
Unsere Gemeindewanderung im August bot viele Formen der Beteiligung. Ungefähr 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer begonnen den Tag mit einem kurzen Sendungsgottesdienst und wanderten im strömenden Regen zur Heilig-Kreuz-Kapelle oberhalb von Mertloch. Sehr viel mehr nahmen am dortigen Gottesdienst unter freiem Himmel teil. Das abschließende gemeinsame Essen an der Mertlocher Grillhütte zog weitere Gemeindemitglieder an.
Die große Beteiligung an herausragenden Ereignissen hat nach unserer Beobachtung kaum Auswirkungen auf die kontinuierliche Beteiligung in regelmäßigen Gruppen und normalen Gottesdiensten. Dennoch signalisieren sie die Offenheit der Gemeinde. Die Möglichkeit der Teilnahme ohne Bindungsdruck steht gleichberechtigt neben der Einladung zur verbindlichen Gemeinschaft.
3) Gemeinde mit Ausstrahlung
Immer wieder werden wir auf unsere einladende, freundliche Ausstrahlung angesprochen. Dies lässt sich auch an der langsam wachsenden Zahl der Gottesdienstteilnehmer ablesen. Es kommen auch Christen anderer Konfessionen regelmäßig zu unseren Gottesdiensten.
Vielleicht deutet die höhere Erfassungszahl im KU auf die gestiegene Bereitschaft zur Bindung hin: Im Jahr 2011 haben sich 29 Konfirmandinnen und Konfirmanden angemeldet, 32 wurden angeschrieben. Dies ist eine Steigerung auf 90% Erfassung gegenüber lediglich 66% noch vor einigen Jahren.
4) Sich öffnende Gemeinde
Auf der einen Seite verstärkt sich unsere Zusammenarbeit mit anderen Gruppen und kommunalen Einrichtungen: Die Zahl der ökumenischen Schulgottesdienste und der ökumenischen Gottesdienste in den Caritaswerkstätten ist aufgrund höherer Nachfrage gestiegen. Der Musikverein Polch hat im tiefen Schnee die Gottesdienstbesucher am Heiligabend 2010 stimmungsvoll mit traditionellen Weihnachtsliedern auf ihren Nachhauseweg nach dem Gottesdienst geleitet.
Auf der anderen Seite wird die kirchliche Beteiligung an gesellschaftlichen Ereignissen weniger selbstverständlich nachgefragt: Der Mertlocher Bauernmarkt hatte zum dritten Mal in Folge keinen ökumenischen Gottesdienst im Programm, obwohl 2005 bei der Erstveranstaltung ein solcher Gottesdienst mit großer Beteiligung und hoher positiver Beachtung gefeiert wurde. Die Eigeninitiative der römisch- katholischen und evangelischen Gemeinden ist in Zukunft stärker gefragt.
5) Erkennbare Gemeinde
Der jüdisch-christliche Gottesdienst zur Erinnerung an die Pogromnacht am 09.11. war 2010 wieder gut besucht. Er wurde in einer interreligiösen Gruppe auf hohem theologischen Niveau vorbereitet. 2010 war dieser Gottesdienstbesuch auch Bestandteil des KU. Das Thema wurde wie in den letzten Jahren im KU ausführlich behandelt.
Im Januar 2011 hat sich ein Elternpaar nach ausführlicher Beratung für eine Kindersegnung statt der Kindertaufe entschieden.
Pfarrer Ingo Schrooten hat auf der Koblenzer Anti-Atom-Demonstration im Mai 2011 als evangelischer Vertreter gesprochen. Die Kurzansprache war kapitalismuskritisch ausgerichtet. Auch Maifelder Gemeindemitglieder nahmen an der Demonstration teil.
Eine Gruppe jugendlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fuhr mit großer finanzieller Unterstützung durch die Gemeinde zum Kirchentag nach Dresden. Die Pastoralreferentin des Dekanats Maifeld-Untermosel übernahm die organisatorische Vorbereitung dankenswerterweise für uns mit. Der Kirchentagsbesuch wurde inhaltlich vor- und nachbereitet. Die Jugendlichen gestalteten für die Gemeinde mit ihren Erfahrungen einen „Gottesdienst von uns für euch“.
6) Orientierungsstiftende Gemeinde
Im KU-Seminar im März 2011 zur Vorbereitung des Vorstellungsgottesdienstes arbeiteten die Konfirmandinnen und Konfirmanden zum Vaterunser. Die dabei erstellten großen Fensterbilder haben einen bemerkenswerten künstlerischen Anspruch und gehören auf Beschluss des Presbyteriums in Wechselrahmen jetzt zur festen Ausstattung unseres Gottesdienstraumes. Die Beschäftigung mit den Inhalten wurde für die Jugendlichen so intensiviert und durch die positive Rückmeldung in der Öffentlichkeit nochmals verstärkt.
7) Anteilnehmende Gemeinde
Leiden lässt uns nicht kalt. Zuwendung ist gefragt, Trost, Anteilnahme und Mitgefühl:
Die Partnerschaft der Kirchengemeinde mit dem psychologischen Projekt Ekupholeni in den Townships von Johannesburg in Südafrika ist seit Jahren lebendig. Die Leiterin Antje Manfroni besuchte uns im Juli und informierte in einem Seminar und in einem Gottesdienst über die Arbeit mit Kindern. Beispielsweise organisierte Ekupholeni einen Menschenrechtstag mit über 1000 Kindern an einer Schule. Ekupholeni unterstützt Kinderfamilien, die alle hilfefähigen Erwachsenen durch AIDS oder verschiedene Formen von Gewalt verloren haben.
Im Mai fand im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung des Zentrums für frühe Hilfen das zweite Evaluationstreffen statt. Aufgrund des Erfolges und der Qualität der Arbeit wurde für die Fortsetzung der auf Ende 2011 begrenzten Förderung votiert. Das ZffH begleitet Eltern mit unterschiedlichstem Unterstützungsbedarf in der frühen Erziehungsphase ihrer Kinder. Die Kirchengemeinde ist für dieses Pilotprojekt in Rheinland-Pfalz in einer Trägergemeinschaft mit dem Caritas-Verband.
III) Unverzichtbar ökumenisch
Kirche Jesu Christi kann nicht isoliert vor Ort existieren. Die Verbundenheit mit der Christenheit in der Einen Welt ist uns unverzichtbar. Ebenso sind wir uns unserer weltweiten Verantwortung bewusst.
Die regionale Ökumene kommt mehr in den Gemeinden an: Der offizielle gegenseitige Besuch durch Gemeindevertreterinnen und Gemeindevertretern bei großen Pfarr- und Gemeindeereignissen findet Beachtung und Anerkennung.
Anfang Februar feierten wir das erste Mal einen ökumenischen Lichtergottesdienst zum Abschluss des Weihnachtsfestkreises in der nur von Kerzen erleuchteten St.-Georgs-Kapelle auf dem Polcher Friedhof. Der Gottesdienst wurde nicht nur von den Theologinnen und Theologen, sondern auch von einer mit theologischen Laien besetzten ökumenischen Gruppe vorbereitet. Er soll jetzt jährlich gefeiert werden.
In den vergangenen Monaten wurde deutlicher als bisher, dass die evangelischen Gemeinden der Region aufeinander angewiesen sind. Aufgrund von Krankheiten und Vakanzen in mehreren Gemeinden war der Vertretungsbedarf groß. Auch die inhaltliche Zusammenarbeit im Rahmen des Regionalkonventes hat sich verstärkt.
Beraten und beschlossen durch das Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde Maifeld am 06.09.2011
Gemeindebericht 2010
Gemeindebericht 2009/2010 der Evangelischen Kirchengemeinde Maifeld
Die Gemeindearbeit erfolgt stabil und kontinuierlich in den gewohnten Bahnen. Folgendes ist für das vergangene Jahr als bemerkenswert zu verzeichnen:
Ein neuer Arbeitsbereich: Kinderbetreuung während des Sonntagsgottesdienstes
Seit April 2009 findet jeden Sonntag parallel zum Gottesdienst eine Kinderbetreuung statt. Diese Arbeit ist kein Kindergottesdienst. Unser Kindergottesdienst findet zweiwöchentlich am Samstag unter dem Namen „Kinderbibelzeit“ statt. Es geht bei der Sonntagsbetreuung um die kindgerechte Beschäftigung der Kinder, während ihre Eltern am Gottesdienst teilnehmen. Die Arbeit wurde notwendig, weil seit Jahren eine beachtliche Zahl von Familien mit ihren Kindern am Sonntagsgottesdienst teilnehmen.
Die Kinder verlassen nach dem Psalmgebet während eines Kanons feierlich den Gottesdienst. Sie werden bis zum Ende des Gottesdienstes von einem/einer Erwachsenen beim Spielen begleitet. 2-10 Kinder nehmen daran teil. Die insgesamt 10 Ehrenamtlichen koordinieren und reflektieren in vierteljährlichen Treffen die Arbeit.
Unser neues Gottesdienstbuch: Lebenslaute
Das alte „Grüne Liederbuch“ war seit Oktober 2004 in Gebrauch. Es wurde neben dem EG in Gottesdienst, kirchlichem Unterricht und Gemeindegruppen regelmäßig eingesetzt. Die noch vorhandenen Exemplare waren abgenutzt. Ebenso erschien uns eine Aktualisierung der Lieder und Gebete notwendig. In einem langen Beratungsprozess hat der Ausschuss für Theologie und Gottesdienst es neu bearbeitet.
Das neue Gottesdienstbuch erhielt den Namen: „Lebenslaute“. Es hat nun 59 neue und altbewährte Lieder, die unserem Gemeindeprofil entsprechen. Der Gebetsteil beinhaltet 86 Gebete, davon sind 37 Psalmen oder Psalmnachdichtungen. Mehrere Lieder und Gebete sind von Autorinnen und Autoren aus unserer Gemeinde komponiert bzw. geschrieben.
Die „Lebenslaute“ wurden in einem Open-air-Gottesdienst an der Geringer Mühle im Elztal am Sonntag, den 27. Juni 2010 eingeführt.
Neue Schwerpunktsetzung im diakonischen Bereich: Zentrum für frühe Hilfen auf dem Maifeld
Die Jugendhilfe auf dem Maifeld, die auch durch das von uns gemeinsam mit Caritas getragene Gemeinwesenprojekt „Münstertreff“ geleistet wurde, ist jetzt an das Ganztagsangebot der Stephanus- Schule angegliedert.
Die Mitarbeiterinnen haben gemeinsam mit den Trägervertretern ein neues Konzept entwickelt, das die Arbeit mit Familien mit Kleinkindern in den Mittelpunkt rückt. Dabei soll der bisherige Schwerpunkt des „Münstertreffs“, die Unterstützung sozial Benachteiligter, weiter im Blick sein. Das neue Projekt „Zentrum für frühe Hilfen auf dem Maifeld“ wurde am 21. April 2010 mit einem Gottesdienst, der Vertragsunterzeichnung mit dem Kreisjugendamt und einer Feierstunde offiziell eröffnet.
Das Zentrum für Frühe Hilfen begleitet Eltern von Kindern im Alter von 0-3 Jahren, wenn sie in ihrer persönlichen Lebenssituation stark belastet sind. Krisen und gefährdende Situationen können
rechtzeitig erkannt und passende Unterstützungsangebote vermittelt werden. Die Eltern-Kind-Bindung und die Entwicklung der Kinder wird gezielt unterstützt und gefördert.
Die Arbeit besteht aus niederschwelligen Eltern-Kind-Treffen, Kursen und Seminaren, Sprechstunden und entwicklungspsychologischer und sonstiger Beratung. Neben der Arbeit im Hauptsitz in Polch und den Außenstellen in Münstermaifeld und Ochtendung wird auch aufsuchende Beratung angeboten. Die Kooperation und Vernetzung ist vielfältig. Andere Anbieter (Hebammen, Familienbildungsstätten…) nutzen unsere Räumlichkeiten.
Unser Zentrum für Frühe Hilfen ist in Rheinland-Pfalz Pilotprojekt in diesem Arbeitsbereich und wird als solches von dem Institut für Sozialpädagogische Forschung Mainz wissenschaftlich begleitet. Die erste vom ism durchgeführte Evaluation gemeinsam mit vielen KooperationspartnerInnen ist am 21. September 2010.
Neue Inhalte und Regeln im Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für den kirchlichen Unterricht (Miku)
Der Miku besteht aktuell aus 35 regelmäßig teilnehmenden Jugendlichen zwischen 14 und 23 Jahren und insgesamt 45, die sich dem Kreis zugehörig fühlen, sporadisch teilnehmen und auf Mitarbeit (z.B. bei KU-Freizeiten) ansprechbar sind. Allerdings können aus schulischen und beruflichen Gründen nur ca. 15 Jugendliche auch im regelmäßigen KU am Dienstagnachmittag als Mitarbeitende eingesetzt werden.
Während wir bisher die fortlaufende Bindung der vielen jungen Menschen an den Kreis positiv beurteilt haben, zeigten sich jetzt Entwicklungen, die auch mit der Zusammensetzung des Kreises aus kontinuierlich Aktiven und etlichen vor allem passiv Teilnehmenden zusammenhängen: Unverbindlichkeit, unregelmäßige Teilnahme, Unpünktlichkeit, mangelnde Ansprechbarkeit auf Mithilfe, wenig Anbindung an das sonstige Gemeindeleben.
In monatelanger Konzeptionsarbeit (auch auf einem zusätzlichen Samstagsseminar) haben wir die Frage nach der Ausrichtung des Kreises diskutiert: Mitarbeiterinnen- und Mitarbeiterkreis oder Treffpunkt für Jugendliche oder gar eigene kleine Jugendgemeinde in der Gemeinde. Auch die Abspaltung des Kreises der älteren Mitglieder, die nicht mehr am KU mitarbeiten, haben wir eine Zeit lang ausprobiert.
Jetzt steht fest: Der Kreis soll in der bisherigen Zusammensetzung erhalten bleiben. Die Regeln (Pünktlichkeit, Regelmäßigkeit, Ansprechbarkeit auf Mitarbeit, aktive Teilnahme …) werden konsequent eingefordert. Die zeitliche Struktur des Treffens beinhaltet jetzt eine Arbeitsgruppenphase, in der der KU vorbereitet wird, bzw. andere Mitarbeit geleistet wird. Eine Zeitspanne ist für die gemeinsame Gefühlsrunde und Tagesordnung, eine andere, längere, für die gemeinsame inhaltliche Arbeit reserviert. Hier sollen langfristig geplante Theologie- und Glaubenskurse, politische Diskussionen, Liedtextbesprechungen und anderes stattfinden. Innerhalb der Gruppe wurden einige Jugendliche als Verantwortliche für folgende Bereiche eingesetzt: Schriftführung (Anwesenheitsliste, Protokolle, …), Finanzen (Freizeitabrechnungen, …) und Inhalte (Planung der inhaltlichen Arbeit).
Die ganzheitliche Bindung der Aktiven an die Gemeinde hat sich nach unserem Eindruck über die Jahre erhöht. Ebenso ist die Bereitschaft gewachsen, sich in Glaubensdingen öffentlich zu Wort zu melden.
Vom Presbyterium am 31. August 2010 einstimmig beschlossen.
Gemeindebericht 2009
Bildung ist mehr… – Gemeindebericht der evangelischen Kirchengemeinde Maifeld
1. Unser Zugang zum Thema: Chancen unserer Gemeinde
1.1. Unsere Chance in der Gemeindeperspektive: Bildung in Gemeinschaft
Unser Leitbild, das Haus mit offenen Türen, beschreibt unsere Gemeinde als Haus, als Ort der Gemeinschaft. Für das Thema Bildung wird hier eine große Chance für uns als Gemeinde angezeigt. Denn wirkliches Lernen findet nach unserem Verständnis in und mit der Gemeinschaft der Geschwister statt. So versteht sich unsere Gemeinde als Gemeinschaft von Lernenden.
1.2. Unsere Chance in der Weltperspektive: Bildung als Kritik an den Verhältnissen und als Praxis der Veränderung
In unserer Gemeinde ist der kritische Blick auf die bestehenden Verhältnisse gute Tradition. In unserem Leitbild beschreiben die offenen Türen unser Vorhaben, tätig auf eine gerechte und friedvolle Welt hin zu wirken. In dieser Gemeindetradition sehen wir eine zweite Chance in Hinblick auf das Thema Bildung. Wir haben langjährige Erfahrung darin, Bildung als verändernde Praxis zu verstehen und zu erproben.
1.3. Unsere Chance in der Gottesperspektive: Bildung als Geschenk und Aufgabe, in Vertrauen und Verantwortung
Wer baut denn unser Haus mit offenen Türen? Wir vertrauen darauf, dass Gott der Erbauer ist. Dieses Vertrauen empfinden wir als Entlastung und Geschenk: „Durch ihn (den Herrn) werdet ihr miterbaut zu einer Wohnung Gottes im Geist“. (Eph 2,22)
Aber ebenso sehen wir unsere Verantwortung füreinander und für die Welt. Wir sind die Miterbauer. Das ist Gottes Aufgabe an uns: „Ihr als lebendige Steine erbaut euch zum geistlichen Hause.“ (1. Petr 2,5)
Das spannungsvolle Miteinander von Geschenk und Aufgabe und unsere zweifache Antwort darauf in Vertrauen und in Verantwortung begleitet unser gesamtes Gemeindeleben. Wir sehen darin im Zusammenhang des Bildungsthemas eine dritte Chance.
2. Aspekte des Bildungsthemas in der Praxis unserer Gemeindebereiche
2.1. Bildung ist Anleitung zum Vertrauen
Nach unserem Verständnis können wir Vertrauen lernen. Wir wollen in der Gemeinde geschützte Räume bieten, in denen solches Lernen möglich ist.
2.1.1. Gottesdienste
Die Gottesdienste werden von vielen der regelmäßig Teilnehmenden als Kraftquelle erlebt. Sie erfahren eine Situation des Aufgehobenseins und der Geborgenheit. Dabei spielen viele Aspekte eine Rolle: Die lebendige und gleichzeitig liebevolle Ausstrahlung der Gruppe im Gottesdienst, die Möglichkeit von spontanen Einwürfen, die Gleichförmigkeit der Liturgie und gleichzeitige Spontanität der Gestaltung, die Beteiligung mehrerer im liturgischen Geschehen, das Miteinander von traditionellen und neuen, z.T. sehr gemeindespezifischen Liedern und Gebeten, die helle, wohnliche Ausstrahlung des Gottesdienstraumes, der Blick durch die großen Fenster in den Gemeindegarten .
2.1.2. Bibelkreis
Im Bibelkreis ist die wache und kritische Auseinandersetzung mit dem Bibeltext im Gespräch genauso wichtig wie der Austausch von (Glaubens-) Erfahrungen. So nimmt der Vergleich der verschiedenen Übersetzungen und u.U. die Einbeziehung des Urtextes einen wichtigen Raum ein. Genauso gut zeugen sehr persönliche Erzählungen und unsere Gebete und Lieder von dem gelebten Vertrauen in der Gruppe.
2.1.3. Andachtsgespräche in vielen Gruppen
In den meisten Gemeindegruppen ist es zur Regel geworden, vor dem Übergang ins Tagesgeschäft ein Gespräch über einen Bibeltext zu führen. Es ist eine kurze Auszeit, Zeit zum Fragen, Zuhören, Antworten finden und Besinnen.
2.2. Bildung ist gleichrangiger Austausch von Wissen
In unserer Gemeinde ist es gute Tradition, dass Verantwortung von mehreren getragen wird. So steht das Vertrauen in das Mittragen der anderen in einem engen Verhältnis zum eigenen verantwortlichen Handeln. Dem entspricht in vielen Lernsituationen die Aufweichung der SchülerInnen/LehrerInnenrollen. Es werden viele Gemeindemitglieder als Lehrende eingesetzt. Und die Lehrpersonen verstehen sich gleichzeitig als Mitlernende in der Gruppe.
2.2.1. MitarbeiterInnenkreis im KonfirmandInnenunterricht (Miku)
Im Miku werden nach guter Gemeindetradition viele Gemeindemitglieder als PädagogInnen eingeübt und treten dann als solche auf. Anscheinend ist diese Aufgabe für Jugendliche so attraktiv, dass sie trotz dem hohem Aufwand von mindestens 5 Wochenstunden und den großen Anforderungen an die eigene Person verlässliche Mitglieder sind. Aktuell steht der Miku aufgrund veränderter Bedingungen vor neuen Herausforderungen: Schnell sinkende KonfirmandInnenzahlen aufgrund der demografischen Entwicklung (07/08: 48; 08/09: 37, 09/10: 27) stehen steigende Zahlen im MitarbeiterInnenkreis gegenüber (08: 27; 09: 37). Bisher konnte trotzdem die konzentrierte und verbindliche Atmosphäre im Miku erhalten werden. Aber im KonfirmandInnenunterricht stehen jetzt über 20 aktive MitarbeiterInnen 27 KonfirmandInnen gegenüber. Viele MitarbeiterInnen werden am Dienstagnachmittag rollenspielartig neben den KonfirmandInnen die Rolle der Lernenden einnehmen, während abwechselnd nur 2 Mitarbeitende in 4 Kleingruppen als Lehrende eingesetzt werden.
2.2.2. Musikgruppen
Gerade in der musikalischen Arbeit ist das Miteinander von Lernen und Lehren besonders wichtig. Während dies in den kleineren Gruppen (Blockflötenensemble und Jugendgospelchor) fast selbstverständlich funktioniert und im Kindergospelchor aufgrund der klaren Rollenverteilung unproblematisch ist, ist es im Spiritualchor eine ständige Herausforderung für Chor und Chorleiter. Für den Chorleiter gilt es, einfühlsam zu leiten und dabei selbst immer weiter zu lernen. Die Chormitglieder unterwerfen sich der klar strukturierten Leitung und sind gleichzeitig bereit, die Situation in der Gruppe aktiv mitzugestalten.
2.2.3. Gemeindebrief als Denkanstoß
In der wöchentlich erscheinenden Gemeindeseite im Verbandsgemeindeblatt, unserem Gemeindebrief, erscheinen immer wieder Artikel, die Denkanstöße geben, so z.B. zum Thema Heimat oder zur Wirtschaftskrise (siehe Anlage). Dabei geht es uns nicht darum, von oben zu belehren. Unsere Beiträge sollen Impulse zu Gesprächen geben.
2.2.4. Gottesdienste von vielen vorbereitet und durchgeführt
Die aktive Einbeziehung vieler im Gottesdienst und die Sprachfähigkeit in Glaubensdingen nicht nur für „Profis“ ist gute Tradition in unserer Gemeinde: Dies zeigt sich in den „Gottesdiensten von uns für euch“ und in dem Einsatz von LiturgInnen. Es ist uns auch gelungen, in den monatlichen Taufgottesdiensten die Tauffamilien stärker aktiv einzubinden. Dies ging über das Formulieren und Lesen von Fürbitten und das Aussuchen einiger Lieder über die persönliche Begründung des Taufspruches bis zur Beteiligung einer Taufpatin bei der Predigt.
2.3. Bildung ist soziales Lernen
In vielen Gemeindebereichen ist neben der offensichtlichen Aufgabe (Chorarbeit, Leitung, KonfirmandInnenarbeit …) die Beziehungs- und Gemeinschaftsfähigkeit der Menschen in unserer Gemeinde wichtig. Auch hier gehören das Vertrauen in das achtsame Handeln der anderen und das eigene verantwortliche Handeln zusammen.
2.3.1. Gefühlsrunde
Die in vielen Gruppen eingeführte Befindlichkeitsrunde am Anfang stärkt die Wahrnehmung füreinander und die Achtsamkeit.
2.3.2. Gruppenregeln in größeren Gruppen und Gottesdiensten
Wir wollen gerade im Kontext unserer individualisierten Gesellschaft Achtsamkeit, Verbindlichkeit und Verlässlichkeit lernen und einüben. Für uns als Veranstalter gerade von größeren Gemeindegruppen und Gottesdiensten bedeutet dies, dass wir klare Regeln aufstellen und auf deren Einhaltung achten. Für uns als Teilnehmende in der Kirchengemeinde bedeutet es, die Einschränkung des augenblicklichen persönlichen Bedürfnisses im Interesse der Gemeinschaft und das Einhalten von Regeln einzuüben.
2.3.3. Verantwortung für das Ganze der Kirchengemeinde
Den Blick für die anderen Bereiche und für das Ganze der Kirchengemeinde zu schärfen, ist unsere ständige Aufgabe und ein wichtiger Aspekt sozialen Lernens. Die Treffpunkte für die Aktiven und Engagierten sind uns dabei besonders wichtig: Die dritte MitarbeiterInnensegnung im Januar 2009, die zweite MitarbeiterInnenparty nach dem Reformationsgottesdienst 2008, die Christmette mit anschließender kleiner Gemeindeweihnachtsfeier im Pfarrhaus, das Tischabendmahl am 2. Weihnachtstag, der Osterfrühgottesdienst auf dem Sammetzkopf mit anschließendem Osterfrühstück und die Gemeindewanderung als kleines Gemeindefest im September 2009 hatten diese verbindende Funktion. Auch in den einzelnen Gemeindegruppen wird immer wieder für den Blick und die Aktivität für das Ganze der Kirchengemeinde geworben.
2.4. Bildung ist Lernen im Leiten
In den Leitungsgremien unserer Gemeinde spielt das Lernen der Leitenden eine große Rolle.
2.4.1. Presbyterium
Die Presbyteriumsabende sind ein wichtiges Lernfeld. Mit hoher Bereitschaft wird von den Mitgliedern von der Fachkompetenz der einzelnen profitiert: Pädagogik, Bau- und Finanzwesen, soziale Kompetenz, Informatik, Theologie. Auf der Presbyteriumsrüstzeit im November 2008 auf den Spuren von Thomas Müntzer war das Interesse für den oft verschwiegenen so genannten linken Flügel der Reformation groß.
2.4.2. Steuerungsgruppe und Ausschuss für Theologie und Gottesdienst
Nach dem Erstellen des Leitbildes 2003 ist die neugebildete Steuerungsgruppe seit Mitte 2008 mit der Erarbeitung einer ausführlichen Gemeindekonzeption beschäftigt. Wir erwarten Anfang 2010 das Ende dieses aufwändigen und lernintensiven Prozesses. Im Ausschuss für Theologie und Gottesdienst wurde unser Gemeindeliederbuch überarbeitet und eine Vielzahl neuer Lieder und Gebete vorstellt und ausgewählt. Die Einführung des neuen Liederbuches ist zu Beginn des neuen Kirchenjahres vorgesehen.
2.5. Bildung ist grenzüberschreitendes Lernen
Jenseits des Wissens im Rahmen unserer Herkunft, unserer Biographie, unserer eigenen religiösen Sozialisation und unserer eigenen Möglichkeiten sehen wir in der Konfrontation mit dem Anderen und Fremden eine Herausforderung und eine Chance für uns.
2.5.1. Jüdisch-christlicher Dialog
Die jährliche Vorbereitung und Durchführung des interkonfessionellen Gottesdienstes in Gedenken an die Reichspogromnacht ist für die Beteiligten ein besonderes Lernfeld. In der Vorbereitungsgruppe der Beteiligten aus der jüdischen, der katholischen und der evangelischen Gemeinde wird das theologische Gespräch mit großem Interesse und auf hohem Niveau geführt, in diesem Jahr zu einem nichtkanonischen Psalm aus Qumran.
2.5.2. Internationale Partnerschaften
Die Partnerschaft zu dem Projekt Ekupholeni in Johannesburg/Südafrika gewinnt in unserer Gemeinde hohe Anteilnahme, wenn auch die inhaltliche Beschäftigung mit der dortigen Problematik nicht sehr ausgeprägt ist. Die Jugendbegegnung auf den Philippinen hat bei den drei beteiligten Jugendlichen aus unserer Gemeinde viel ausgelöst. Sie haben sich trotz der Verschiebung der Rückbegegnung und der damit verbundenen Terminschwierigkeiten nach Kräften hierbei eingesetzt.
2.5.3. Bildung und soziale Verantwortung
Uns ist als Gemeinde wichtig, dass die Armen unter uns selbstverständlich als notwendiger Dienst der Gemeinschaft an den Mitgliedern unterstützt werden und in das normale Gemeindeleben integriert sind. Dies ist ein Lernfeld für unsere Mitglieder.
Der „Münstertreff“ in Kooperation mit Caritas soll die sozial Benachteiligten auf dem Maifeld unterstützen und begleiten. Hier spielt neben der materiellen Unterstützung die soziale Integration eine wesentliche Rolle. Nicht Armenfürsorge, sondern das Leben an der Seite der Armen ist die Absicht. Aufgrund der Wandlung von Schulen auf dem Maifeld in Ganztagsschulen und der Angliederung der Jugendhilfe an diese Schulen wird sich die Arbeit grundlegend ändern. Die Erarbeitung der neuen Konzeption, die die Arbeit mit den Kleinkindern in den Mittelpunkt rückt, war nur aufgrund des hohen Engagements unserer Mitarbeiterinnen und der Einbeziehung vieler (Kreisjugendamt, PolitikerInnen, Trägergespräch, …) möglich.
Die Vorstellung der Arbeit in einer Presbyteriumssitzung in den Räumen der Einrichtung in Münstermaifeld war für die PresbyterInnen z.T. neu und sehr aufschlussreich.
Im Aufbau unserer Kirchengemeinde und in der Übernahme von Verantwortung für unsere Mitglieder und die Welt sehen wir unsere Bildungsaufgabe.
Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde Maifeld, beschlossen in der Presbyteriumssitzung am 08. September 2009
Anlage: Beispiel eines Textes zum Thema Wirtschaftskrise in unserer wöchentlich im Verbandsgemeindeblatt erscheinenden Gemeindeseite, unserem Gemeindebrief, erschienen im August 09:
Es bleibt nicht alles, wie es ist! Ein Versuch über die Weltwirtschaftskrise aus christlicher Sicht
Geldvermehrung ohne ein Wunder
Wie vermehre ich mein Geld? Indem ich es zur Bank bringe und die Zinsen erwarte. Aber wieso wird das Geld auf der Bank verzinst? Wo kommt dieser Geldzuwachs her?
Der Ursprung der Geldvermehrung auf der Bank liegt im Verleihen des Geldes an Unternehmen, die so ihre Investitionen finanzieren. Und die sind bereit, mehr zu zahlen, weil sie das Geld im Vorgriff auf ihre Gewinne geliehen haben. Der Gewinn der Unternehmen, ihr Erwirtschaften von Mehrwert, ist der Ursprung der Geldvermehrung in unserem Wirtschaftssystem, auch der Zinsen auf der Bank.
Aber wie genau wird das Geld in den Unternehmen vermehrt, ohne dass irgendjemand betrogen wird? Das Geheimnis liegt in einem besonderen Material, das neben Maschinen, Rohstoffen und Anderem jeder Warenproduktion zugrunde liegt: die Arbeitskraft der angestellten Menschen.
Denn während der Einsatz aller anderen Materialien im Prinzip für die Unternehmer ein Nullsummenspiel ist – sie bekommen beim Verkauf des neuen Produkts das heraus, was sie eingesetzt haben – entsteht durch den Einsatz der Arbeitskraft ein Mehrwert: die angestellten Menschen bekommen im gesellschaftlichen Durchschnitt das für ihre Arbeit bezahlt, was sie selbst investieren müssen, um sich und ihre Familie gesund und glücklich zu erhalten und zu machen.
Aber sie bleiben erheblich länger an ihrem Arbeitsplatz als nötig ist, um diesen Betrag zu erwirtschaften. Durch diese Mehrarbeit entsteht der Mehrwert, die Grundlage der Geldvermehrung und der gesamten „Wohlstandsmaschine“ in unserem Wirtschaftssystem.
Das Kapital wird arbeitslos
Und genau so entsteht das Problem, dass unserem Wirtschaftssystem grundsätzlich innewohnt: Jeder Unternehmer muss das Interesse haben, den Anteil der Mehrarbeit an einem Arbeitstag möglichst groß zu machen. Dies geschieht durch die Verlänge- rung des Arbeitstages, die heutzutage auch bei uns wieder eine Rolle spielt. Wichtiger aber ist die Erhöhung der Produktivität. Sie verschiebt den prozentualen Anteil in der Gesamtarbeit zugunsten der Mehrarbeit. Immer neue Erfindungen müssen her, um die Arbeit immer effektiver und schneller zu machen. Die mikroelektronische Revolution in den letzten Jahrzehnten ist bisher die letzte Stufe in dieser Entwicklung: Heute arbeiten ganze Fabriken, ohne dass man einen Menschen sieht. Und hier wird das Problem deutlich. Um die Arbeitskraft in Konkurrenz zu den anderen Unternehmen möglichst gut zu verwerten, wird durch die Erhöhung der Produktivität ihr Anteil an den Gesamtinvestitionen immer kleiner, bis sie zu verschwinden scheint: Das Kapital verliert die Arbeit und damit den Motor der gesamten Vermehrungsmaschine.
Eine (Finanz-)Blase ist geplatzt
Die Entdeckung immer neuer Märkte im In- und Ausland und die Entwicklung immer neuer, oft unsinniger und gefährlicher Produkte (viele Kinderverdummungsspielzeuge seien hier nur als ein Beispiel genannt) mildern das Problem, sind mittlerweile aber auch an ihre Grenzen gestoßen.
Die Vorauskosten an Sachkapital werden immer höher. Seit den 70er Jahren ist weltweit eine immense Erhöhung der Verschuldungen festzustellen. Auch viele Staaten verschuldeten sich, um den immer höher werdenden Beitrag zu finanzieren, der zum unterstützenden Eingriff in die Wirtschaft oder als Krisenintervention gewollt war. Verbunden damit ist die Spekulation mit den Schuldentiteln. Aber das Ganze funktioniert auf Dauer nur so lange, wie der Finanzüberbau mit dem realen Wirtschaften verknüpft ist. Und genau diese Verknüpfung ist durch die tendentielle Abschaffung der menschlichen Arbeit in der Produktion (s.o.) grundsätzlich in Frage gestellt. Die Erschütterung, die durch das Platzen der Finanzblase geschah, könnte also sehr grundsätzlich sein („Kernschmelze des Kapitalismus“, so die Frankfurter Rundschau).
Es bleibt nicht alles, wie es ist!
Ich habe nicht die Absicht, ein Weltuntergangsszenario an die Wand zu malen, denn darum geht es nicht. Aber gerade der Hinweis auf die Grundsätzlichkeit der Krise kann sehr heilsam sein: Es bleibt eben nicht immer alles so, wie es ist. Genauso wenig ist die Behauptung wahr, dass im Prinzip alles immer schon so war, wie es jetzt ist. Gott ist der einzig Ewige. Und das ist auch gut so: Denn jenseits aller Krisen hat unser Wirtschaftssystem eine Vernichtung und Brutalität freigesetzt, auf die auch wir Christen immer wieder hingewiesen haben. Ich hoffe, dass diese Krise Christen und anderen Menschen den Anstoß gibt, das Ganze grundsätzlich verändern zu wollen. Denn wir wollen ein Ende von Unrecht und Gewalt und hoffen auf universale Gerechtigkeit und Solidarität.
Ingo Schrooten
Gemeindebericht 2008
Gemeinschaft an der Seite der Leidenden – Gemeinschaft der Leidenden: Jahresbericht 2007 / 2008
I Einleitung:
Unsere Kirchengemeinde als eine Gemeinschaft an der Seite der Leidenden – ist das nicht ein zu hoher An- spruch? Ist dies nicht ein Etikett, das der volkskirchlichen Wirklichkeit einfach übergestülpt ist? Wir glauben: Nein!
Nach unserer Überzeugung ist es (erst recht in der Krise der Volkskirche) der richtige Weg für eine Ortsge- meinde, sich ein erkennbares Profil zu geben. So können wir versuchen, den aktuellen Versuchungen für ei- ne Kirche nicht zu erliegen: Wir wollen nicht das Alte unreflektiert weitermachen und ebenso wenig als po- tenter Anbieter auf dem (Freizeit-, Wohltätigkeits-, Sinn-) Markt auftreten. Beide Sackgassen sind auch in unserem aktuellen Gemeindeleben erkennbar und müssen als solche erkannt werden (siehe unter II).
Parteilichkeit für die Armen ist ein Thema, das unsere Gemeindearbeit seit Jahrzehnten prägt. Darüber hi- naus wird in den letzten Jahren immer deutlicher, dass viele Gemeindemitglieder Verlierer der gesellschaftli- chen und wirtschaftlichen Veränderungen sind, die unter dem Stichwort Globalisierung diskutiert werden. Wir, die Mitglieder der Kirchengemeinde, wollen nicht nur die Anwälte der Leidenden sein, sondern wir lei- den selbst in einer unerlösten Welt (siehe unter III).
Unseren Glauben an den gerechten und liebenden Gott und das Erleben der Gemeinschaft in der Gemeinde wollen wir als Widerstandspotential entdecken: Wir sind getragen (siehe unter IV) und können diese Welt verändern (siehe unter V).
II Sackgassen
Aufgrund der besonderen Bedingungen unserer Kirchengemeinde treffen uns die rasanten Veränderungen im Sozialverhalten der Menschen unverzerrt und ungebremst: Die große Mehrheit der Evangelischen auf dem Maifeld ist in den letzten 10 – 30 Jahren zugezogen. Es besteht kaum eine traditionelle Bindung an un- sere Kirchengemeinde. Die Bereitschaft zur Beweglichkeit zeigt sich genauso deutlich wie das Vermeiden ei- ner längeren zeitlichen Bindung und mangelnde Kontinuität. All dies wird kaum durch traditionelles Teilnah- meverhalten gemildert: Unser Gemeindeleben wird durch eine Vielzahl attraktiver und großer Veranstaltun- gen und Gottesdienste genauso geprägt wie durch eine immer noch erschreckend kleine Beteiligung in ereignislosen Zeiten. Die enttäuschend geringe Beteiligung an der Presbyteriumswahl (2008 8,3 % gegen- über 2004 8,4 %) trotz massiver und phantasievoller Vorarbeit und Werbung spricht dieselbe Sprache.
Die beschriebene Situation, verbunden mit der allgemeinen Krise der Volkskirche, kann zu Irrwegen in der Gemeindearbeit führen, die auch bei uns z.T. eine Rolle spielen:
1) Die erste Sackgasse: Das Alte weitermachen
Auch bei uns gibt es die Verführung, das Gewohnte immer weiter zu machen. Aber immer wieder erkennba- re kurzfristige Veränderungen im Teilnahmeverhalten (große Schwankungen im Gottesdienstbesuch – Sonn- tagsgottesdienst und Kindergottesdienst/KIBIZ, Schwankungen in der Teilnahme an unseren musikalischen Veranstaltungen, Schwankungen in dem Maß der Verbindlichkeit in unseren internen Gruppen …) zwingen zur Überprüfung und zu neuen Strategien.
a) Geburtstagsbesuche: Die Bindung der hauptamtlich und ehrenamtlich Aktiven in den gleichen Arbeitsfel- dern wie vor 30 Jahren, verbunden mit hohem Anspruchsdenken sonst kaum aktiver Mitglieder, gibt es auf dem Maifeld allerdings kaum. So wurden z.B. alte Menschen seit Jahren nur sporadisch an ihrem Geburts- tag besucht. Die Auslastung des Pfarrers und die nicht erkennbare Auswirkung auf den Gemeindeaufbau führten dazu. Die kontinuierliche Wahrnehmung der Geburtstagsbesuche durch den Pfarrer zur Anstellung Michael Stoer in den letzten beiden Jahren wurde freundlich angenommen, hatte aber keine Auswirkung auf das aktive Teilnahmeverhalten. Der jetzt wieder notwendige Wegfall dieser „Dienstleistung“ wird wahrschein- lich keine erkennbaren negativen Reaktionen hervorrufen.
b) Pfarrer-Zentriertheit: Die scherzhafte Titulierung des Pfarrers als „Chef“ oder als „Kapitän des Kirchen- schiffes“ hat auch bei uns durchaus ernste Hintergründe. Für die Kirchendistanzierten genauso wie für unse- re katholischen Geschwister ist die Person des Pfarrers und seine Ausstrahlung nahezu mit der Kirchenge- meinde identisch.
Aber die Volkskirche ist nach unserer Auffassung nicht notwendig pfarrer-zentriert. Vielmehr ist die Domi- nanz des Amtsträgers in allen Bereichen des Gemeindelebens von der Verkündigung über Repräsentanz bis zu Management-Funktionen Ausfluss einer Entwicklung, die wesentlich mit Ausübung und Delegation von Macht in den unterschiedlichen historischen Ausprägungen zu tun hat.
In der Mündigkeit der Gemeindemitglieder in allen Bereichen sehen wir sowohl einen Motor als auch ein Ziel des Gemeindeaufbaus:
- „Gottesdienste von uns für euch“: Die jetzt so umbenannten Teamgottesdienste einmal im Monat am Sonntag sind seit Jahren fester Bestandteil unseres Gottesdienstplans und gehören zum Selbstbe- wusstsein unserer Gemeinde. Der Mirjamgottesdienst im August 08 steht für viele andere: eine Grup- pe von vier Frauen gestaltete einen anspruchsvollen, lebendigen, phantasievollen, gut besuchten Got- tesdienst.
- Seit Jahrzehnten haben in allen Gottesdiensten die LektorInnen ein großes Gewicht. Sie beginnen mit der Salutatio nach dem Gloria, sprechen das Themengebet, lesen die Sonntagslesung und leiten das Glaubensbekenntnis an. Die Zahl der LektorInnen ist leider auf 3 – 4 geschrumpft. Interessierte müs- sen neu angesprochen und begleitet werden. Ein großer Lichtblick ist eine 14jährige Lektorin, die seit Monaten mit großem Engagement mit dabei ist. Ihre selbst formulierten Themengebete haben große Authentizität und sprühen von Lebendigkeit.
- Wir versuchen, den Pfarrer immer mehr aus seiner Rolle als „Gemeindemanager“ zu entbinden. Ein Ehrenamtlicher als Vorsitzender und sehr kompetent und selbstständig arbeitende Bau- und Finanz- Kirchmeister sind Schritte in diese Richtung. Noch Weitergehendes ist vorstellbar und wird diskutiert.
- Wir versuchen, die Repräsentierung der Kirchengemeinde nicht nur dem Pfarrer zu überlassen: Z.B. Neujahrsempfang und ökumenische Segnung des Feuerwehrautos in einem unserer Dörfer. Einzelne PresbyterInnen oder aktive Mitarbeitende werden mittlerweile in einigen Dörfern als „evangelische Re- präsentanten“ wahrgenommen.
2) Die zweite Sackgasse: Die Marktförmigkeit der Kirche
Der Rollenwechsel der Kirche von einer unverzichtbaren gesellschaftlichen Institution hin zu einem der vie- len Anbieter auf dem (Freizeit-, Wohltätigkeits-, Sinn-) Markt geschieht manchmal bewusst, meistens unre- flektiert. Wir dürfen nicht widerspruchslos an der Ökonomisierung der ganzen Lebenswelt teilnehmen. Wenn soziale Sicherheit, Bildung, Lebensglück und Religion auch bei uns und mit unserer Beteiligung zur Ware wird (selbst wenn wir für unsere „Angebote“ kein Geld nehmen), ändert sich im Verhalten der Menschen sehr grundlegend etwas: Orientierung am augenblicklichen Bedürfnis und Spaß, Verzicht auf Kontinuität, Verherr- lichung des Individuums, Orientierung an den Zahlen und nicht an der evangelischen Qualität, Bevorzugung der potenten „KundInnen“, Verzicht auf das Einüben von Achtsamkeit auf andere … . Die selbstverständliche Übernahme der Begriffe aus der Wirtschaftswelt (Angebote, KundInnen, …) ist ein deutliches Indiz. Was hier geschieht, ist mehr als die Anbiederung an den Zeitgeist. Nach unserer Einschätzung übernehmen neue Götzen die Herrschaft in unserer Gesellschaft, sogar in unseren Kirchen. „Gottes kräftiger Anspruch auf un- ser ganzes Leben“ (Barmer Theologische Erklärung) wird geleugnet.
a) Event-Hascherei oder Aushängeschild: Attraktive Großereignisse bestimmen einen erheblichen Teil unseres Gemeindelebens. Es sind punktuelle Ereignisse, die unsere räumlichen Kapazitäten vollständig aus- reizen und unser Verliebtsein in Zahlen befriedigen:
- traditionelle „Events“: Weihnachten (an 2 Gottesdiensten am Heiligabend muss der Eintritt vor Beginn wegen Überfüllung verwehrt werden), Konfirmation mit über 600 Teilnehmenden in der Stiftskirche in Münstermaifeld, von den KIBIZ-Kindern vorbereitete Gottesdienste am Ostersonntag (Steigerung von 20 Gottesdienstbesucher 2002 bis zu 170 im Jahr 2008) und Erntedankfest, musikalische Gottes- dienste
- Ökumenischer Gottesdienst auf dem Kaaner Hoffest im Festzelt
- Ökumenische Schulgottesdienste: Die Entlassklassen der Polcher weiterführenden Schulen feiern nach aufwendiger Vorbereitung mit den SchülerInnen im unserem vollbesetzten Gemeindehaus, die anderen Schulen in Polch und Münstermaifeld in von Hunderten besuchten Gottesdiensten im Stadt- haus oder in einer katholischen Kirche
- Ü13-Party, eine Disco für Jugendliche mit bis zu 200 BesucherInnen, zweimal im Jahr
- Afrikatag, unser Gemeindefest im Juni: Die Konzeption mit zwei BesucherInnenschwerpunkten am Vor- und Nachmittag und der thematischen Orientierung hat sich sehr bewährt, gegenüber ca. 100 Teilnehmenden bei unserem letzten traditionellen Gemeindefest im Jahr 2002 besuchten uns mehrere hundert Menschen im Laufe des Tages.
- Presbyteriumswahl: Trotz attraktiv gestaltetem Wahltag (Wahlfrühschoppen) mit vielen BesucherInnen und guter Werbung war die Wahlbeteiligung enttäuschend. Sogar regelmäßig Teilnehmende haben z.T. nicht gewählt und konnten also von der Notwendigkeit der Wahl nicht überzeugt werden (siehe unter II oben). Trotzdem sehen wir uns darin bestätigt, keine allgemeine Briefwahl durchgeführt zu ha- ben: Wenn das Abschicken einer Postkarte eine Schwelle ist, die die Wahl verhindert, dann sollte die Unlust zur Mitgestaltung durch die Wahl auch als solche respektiert werden.
Selbstkritisch müssen wir aber einräumen, dass kaum eine Auswirkung der großen Veranstaltungen auf die kontinuierliche Arbeit und die Verbindlichkeit der Teilnahme erkennbar ist. Als ein Aushängeschild für unsere Lebendigkeit werden diese Veranstaltungen wohl notwendig bleiben. Auch die Erfahrung engagierter Mitar- beit von vielen ist sehr positiv (Afrikatag, Ü13-Party, ökumenische Schulgottesdienste). Wir sollten aber ihre Zahl bewusst eingrenzen, um nicht der Gefahr zu erliegen, das Gesicht eines Veranstalters für besondere Events zu bekommen. Nicht punktuelle Teilnahme erwarten wir von unseren Mitgliedern, sondern verbindli- ches Mitgestalten.
b) Kirche für einzelne: Die Kultur des Kaufens und Verkaufens setzt einzelne Menschen als Gegenüber vo- raus. Wir empfinden es als fatal, dass die strukturelle Ähnlichkeit dieser Vereinzelung mit der Betonung der Einzel-Seelsorge und der Einzelbesuche bis hin zur Zergliederung der Gruppen in der Pädagogik in unserer Kirche nicht erkannt wird. Dazu kommt, dass Erfolge bei einzelnen überprüfbarer zu sein scheinen, während komplexe Systeme unbeeinflussbar erscheinen. Der Kampf gegen die Individualisierung scheint von vielen aufgegeben zu sein.
In unserer Gemeindepraxis ist die Einzelseelsorge eine dem gemeinschaftlichem Leben untergeordnete Funktion: Die weitaus meisten Nachfragen um Einzelseelsorge kommen von den kontinuierlich Teilnehmen- den. Darüber hinaus ist Gruppenseelsorge ein wichtiger Aspekt unseres Gemeindelebens: der seelsorgliche Charakter unserer Gottesdienste wird immer wieder betont und die „Gefühlsrunde“ am Beginn vieler Ge- meindegruppen hat oft seelsorglichen Charakter.
III Unser Leiden
Wir wollen nicht nur Anwälte der Leidenden sein, sondern wir erkennen uns selber als Leidende:
1) Materielle Not
Auch auf dem Maifeld ist erkennbar, dass es immer mehr Menschen gibt, die einen sozialen Abstieg erleben oder befürchten. Uns ist als Gemeinde wichtig, dass sie selbstverständlich als notwendiger Dienst der Ge- meinschaft an den Mitgliedern unterstützt werden und in das normale Gemeindeleben unauffällig integriert sind. Ihr Leiden ist das Leiden der Gemeinde. Ihnen zu helfen hilft der Gemeinde.
Der „Münstertreff“ ist eine Gemeinwesenarbeit mit angegliederter Spiel- und Lernstube zur Unterstützung und Begleitung der sozial Benachteiligten auf dem Maifeld in Kooperation mit Caritas. Auch hier spielt neben der materiellen Unterstützung die soziale Integration eine wesentliche Rolle. Nicht Armenfürsorge, sondern das Leben an der Seite der Armen ist die Absicht. Aufgrund der Wandlung vieler Schulen auf dem Maifeld in Ganztagsschulen und der Angliederung der Jugendhilfe an diese Schulen wird sich die Arbeit grundlegend ändern. Wir arbeiten an einer Konzeption, die die Arbeit mit den Vorschulkindern in den Mittelpunkt rückt.
Ende 2007 schied Bernhard Wibben aus seinem Dienst im Münstertreff aus (bedingt durch seinen stärkeren Einsatz im Religionsunterricht an den Maifelder Schulen). Für ihn wurde Ursula Lamm eingestellt.
2) Immaterielle Not
Die rasanten Veränderungen im Sozialverhalten sind auf dem Maifeld genauso wie anderswo spürbar: weite- re Vereinzelung, individualisierte Menschen, die sich oft in virtuellen Lebenswelten besser zurechtfinden als in sozialen Zusammenhängen, immer mehr verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche, überforderte und gehetzte Menschen, hemmungslose Rücksichtslosigkeit und Egozentrik, das Verlernen von Verhaltensfor- men in der Gemeinschaft und von Ritualen, Unfähigkeit und Unlust auf Kontinuität und Bindung.
Wir erkennen in diesen Phänomenen soziales Leiden. Wir sind in der Gemeindepraxis andauernd mit dieser Not konfrontiert, in unseren Gruppen, besonders auch in großen Veranstaltungen, wenn z.B. die Rücksichts- losigkeit von Eltern beim Schulanfangsgottesdienst sowohl den Gottesdienst empfindlich stört als auch die Kinder unter starken Druck setzt. Wir versuchen dem in unseren Zusammenhängen soziales Lernen entge- genzusetzen.
3) Leiden mit anderen / Compassion
Die Besucherinnen aus unserem Partnerschaftsprojekt ekupholeni, einem psychologischen Anti-Aids- und Anti-Armuts-Projekt in den Townships von Johannesburg in Südafrika, veranstalteten bei uns im März 2008 einen Infoabend und gestalteten einen Gottesdienst. Sie signalisierten uns sehr deutlich, dass wichtiger als finanzielle Unterstützung das gegenseitige voneinander Wissen und das Wahrnehmen des Leidens ist.
Wir versuchen in der Gemeindearbeit zu vermitteln, dass es um das Mitleiden mit den anderen geht und dass „süße Wohlfahrt“, die Erleichterung des Gewissens durch Zuwendungen an die Armen, letztlich nicht hilfreich ist.
Das Erinnern an geschehenes Unrecht spielt in diesem Zusammenhang ebenso eine Rolle. Seit Jahren ge- stalten wir den Gedenkgottesdienst anlässlich der Reichspogromnacht gemeinsam mit der jüdischen Kultus- gemeinde, der katholischen Kirchengemeinde und dem Förderverein Synagoge in der Stiftskirche und in der alten Synagoge in Münstermaifeld. Die gemeinsame intensive Vorbereitung und die Feier des Gottesdiens- tes einschließlich des gemeinsamen Kaddisch nach dem jüdischen Klagegebet sind ein besonderes Erlebnis für viele.
IV Getragen in der Gemeinde
Unseren Glauben an den gerechten und liebenden Gott und das Erleben der Gemeinschaft in der Gemeinde wollen wir als Widerstandspotential gegen eigenes und fremdes Leiden entdecken:
1) Getragen von Gott
Die bewusste Entscheidung für den Weg mit Gott bekommt in der Gemeinde mehr Gewicht. Dies wird im Bi- belkreis, in den jeweiligen Bibelgesprächen in unseren Gruppen und in selbstbewusst von Gemeindegliedern gestalteten Gottesdiensten deutlich. Es ist auch auffällig, dass als Jugendliche und Erwachsene getaufte Ge- meindemitglieder bei uns eine größere Rolle spielen: In den letzten zwei Jahren wurden vier Erwachsene nach aufwendigem Taufunterricht getauft und sind weiterhin in der Gemeinde aktiv. Von den 26 Jugendli- chen des MitarbeiterInnenkreises sind mehr als ein Viertel (7) als Jugendliche getauft worden.
Im Berichtszeitraum waren zwei aktive Gemeindemitglieder lebensgefährlich erkrankt. Das Gebet für sie im Gottesdienst und in den Häusern haben wir als befreiend und hilfreich erlebt.
2) Getragen in der Gemeinschaft
a) Hohe Gruppenidentifikation: In unseren Gruppen wollen wir Verbindlichkeit, Verlässlichkeit und Acht- samkeit für andere miteinander einüben. Viele Gruppen (Spiritualchor, Blockflötenensemble, MitarbeiterInnenkreis für den KonfirmandInnenunterricht, Bibelkreis, Frauenhilfe, MitarbeiterInnenkreis für KIBIZ, Presbyterium ) üben eine hohe Gruppenidentifikation aus. Anteilnahme und Helfen, gleichberechtigter Umgang, gemeinsames Feiern und Trauern und gemeinsa- me Auseinandersetzung mit dem Wort Gottes sind hier verwirklicht. Die Mitarbeitenden empfinden ihre Teil- nahme auch als persönliche Stärkung. Eine junge Frau sagte: „Der MitarbeiterInnenkreis und meine Mitar- beit im KonfirmandInnenuntericht gibt mir mehr Sicherheit und hilft mir, mich vor vielen Menschen auszudrü- cken.“
Das Presbyterium versteht sich neben seiner Funktion als Gemeindeleitung auch als Gruppe, in der sich die Mitglieder gegenseitig Halt geben. Das Presbyteriumswochenende mit PartnerInnen im November 2007 auf den Spuren der Elisabeth von Thüringen hat dem Zusammenhalt einen neuen Schub gegeben. Zur Presby- teriumswahl ist es gelungen, 11 engagierte KandidatInnen für die 8 Plätze zu gewinnen. Nach der Wahl sind zwei von acht PresbyterInnen und eine Mitarbeiterpresbyterin neu im Presbyterium. Die Nichtgewählten brin- gen sich in Ausschüssen und im sonstigen Gemeindeleben gut ein. Im November 2008 ist ein Presbyte- riumswochenende auf den Spuren von Thomas Müntzer geplant.
Im Sommer 2008 konnte die Kirchengemeinde erstmalig eine (rein ehrenamtlich organisierte) Kinderfreizeit anbieten: 23 Kinder zwischen 6 und 12 Jahren erlebten 10 Piratentage im Hunsrück.
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die in den verschiedenen Bereichen Aktiven auch diejenigen sind, die im Gottesdienst und anderswo regelmäßig teilnehmen. Passive Konsumtion findet fast nur in den „Events“ statt.
b) Ausbau der Treffpunkte: Der Blick für die anderen Bereiche und für das Ganze der Kirchengemeinde konnte verbessert werden: Die zweite MitarbeiterInnensegnung im Januar 2008 ( Segnung der neu einge- stiegenen und der ausscheidenden MitarbeiterInnen und anschließendes gemeinsames Essen) war genauso erfolgreich wie die neu eingeführte MitarbeiterInnenparty nach dem Reformationsgottesdienst 2007. Dies, die gemeinsame Mitarbeit beim Afrikatag im Juni 2008 und die gemeinsame Verabschiedung von Michael Stoer als Pfarrer unserer Gemeinde im August 2008 hat das Kennenlernen und voneinander Wissen ver- stärkt. Die Christmette mit anschließender kleiner „Gemeindeweihnachtsfeier“ im Pfarrhaus, das Tischabend- mahl am 2. Weihnachtstag (2007 das zweite Mal gefeiert) und der Osterfrühgottesdienst auf dem Sammetz- kopf mit anschließendem Osterfrühstück haben eine ähnliche verbindende Funktion.
V Subjekte der Veränderung
Wir wollen uns als Versammlung von Menschen verstehen lernen, die nicht nur Leidende, sondern auch Subjekte der Veränderung hin zu einer anderen, besseren Welt sind. Wir sind uns dabei bewusst, dass die letztliche Erlösung dieser Welt nicht unser Werk sein wird. Und doch ist es wichtig, unsere Aufgaben als Got- tes Mitarbeiter am Gottesreich zu erkennen:
1) Gemeindegruppen als Orte der Mitgestaltung und Veränderung
Wir verstehen unsere Gruppen nicht als Angebote der Kirchengemeinde zur Freizeitgestaltung und Sinnfin- dung (siehe unter II,2), sondern als Orte der Mitgestaltung und Veränderung der Gemeinde und der Welt. Z.B.:
In den MitarbeiterInnenkreisen (für KU und KIBIZ) werden viele (jugendliche) Gemeindemitglieder als Pädagogen eingeübt und treten dann als solche auf.
Die musikalischen Gruppen (Spiritual-Chor, Blockflötenensemble und beiden neuen Gospelchöre für Kinder und Jugendliche) prägen unser Gesicht nach innen und außen.
Der Redaktionsausschuss verantwortet die wöchentlich erscheinende Gemeindeseite, unseren Ge- meindebrief, in dem amtlichen Mitteilungsblatt, die weit über die Gemeinde hinaus Öffentlichkeit für unsere Themen bewirkt. Für die aufwendige ehrenamtliche Arbeit des Layouters (mehrere Stunden in der Woche) konnte nach dem Ausscheiden des bisherigen Layouters wieder jemand gewonnen wer- den.
Der Ausschuss für Theologie und Gottesdienst soll sich wieder monatlich treffen und wird u.a. das seit 4 Jahren in intensivem Gebrauch befindliche Gemeindeliederbuch neu bearbeiten und herausgeben.
Die Steuerungsgruppe ist neu einberufen und erarbeitet auf der Grundlage des Leitbildes eine Ge- meindekonzeption. Auf die Beschreibung einer solidarischen Sicht auf die Gemeinderealität wird die Formulierung konkreter Visionen für die nächsten Jahre folgen. Diese Arbeit und die jährliche Auswer- tung werden die Arbeit der Gemeinde verändern.
2) Teilhabe an gesellschaftlicher Einflussnahme
Die Gemeinde beteiligt sich (wenn auch oft nur mit wenigen Personen) an Gruppen oder Aktionen, die unse- re Gesellschaft auf eine menschlichere Welt hin erändern wollen:
Unsere Gemeinde ist Mitglied im Ökumenischen Netz. Dessen aktive Arbeit im Vorstand und im Ar- beitskreis Theologie und Politik wird von einigen von uns mitgetan.
Wir sind als Kirchengemeinde Mitglied im Förderverein Synagoge Münstermaifeld und im Förderver- ein Münstertreff und arbeiten jeweils im Vorstand mit.
Wir haben uns an der Demonstration gegen das Atomwaffenlager in Büchel beteiligt. Nach unseren Gottesdiensten liegen immer wieder Unterschriftenlisten zu gesellschaftlichen Themen im Zusammenhang von Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung aus.
In unserm Engagement gegen Leiden wird unser Leitbild konkret: Wir wollen ein Haus mit offenen Türen sein.
Erarbeitet und beschlossen im Presbyterium am 9. September 2008